Lesen? Er hatte ein Problem. Er hatte zwar gewusst, in welchem Fach er sich befand, nur hatte er jetzt wohl ein gewaltiges Problem, als es doch ernst wurde. Nur ein Mädchen konnte hier nicht lesen und schreiben, die anderen wohl alle. Ein Mädchen war aus dem Raum geflohen, anders konnte man es nicht nennen. Aber das war nicht sein Problem. Er konnte die Buchstaben auf den Seiten vor ihm nicht sehen, es war einfach zu hell im Raum, zuviel Sonne. Wie sollte er da tun, was ihm aufgetragen wurde? Kostja war ja nicht absichtlich Mittags blind. Er konnte nichts dafür. Nur schien ihm der Lehrer nicht gerade einer der verständnisvollen Sorte zu sein. Aber konnte er denn verantworten, das Konstantin wegen seiner Sehschwäche nicht mitkam? Der Drache begann nachzudenken. Er musste nicht mal lang nachdenken, er brauchte ja nur eine gute Alternative, die er dem Lehrer anbieten konnte. Ein Buch in Blindenschrift konnte er wohl abschreiben. Er konnte fragen, ob ihm einer seiner Mitschüler den Text vorlesen durfte. Nein, das würde er nicht erlauben. Der Lehrer meinte ja schon, gequatscht wurde nicht. Und es würde die anderen Schüler sicher stören. Das konnte er also auch ausschlagen. Aber vielleicht konnte er nach dem Unterricht alles nachholen. Wenn es Abend wurde, sah er ja wieder ordentlich. Dann konnte er doch allen Stoff nachholen. Er würde auch einen Aufsatz verfassen, wenn es nötig war. Nur würde er sonst in diesem Unterricht schlechte Karten haben. Blind schreiben, keine große Sache. Aber Lesen....
Außer einem leichten Stirnrunzeln sah man ihm keinen seiner Gedanken an. Plötzlich und ohne erkennbare Vorwarnung stand er in einer fließenden Bewegung von seinem Platz auf und begab sich zu seinem Lehrer, der sich gerade um das analphabetische Mädchen kümmerte. In etwa einem Meter Abstand hielt er an und verbeugte sich. "Herr, bitte verzeihen Sie die Störung" Seine Stimme war ruhig und beinahe emotionslos. "Nur habe ich leider ein Problem, die von Ihnen gestellte Aufgabe zu erfüllen. Ich leide an einer Sehschwäche, die es mir unter den gegebenen Wetterumständen unmöglich macht, den Text zu lesen. Wäre es eventuell möglich, dass ich die Aufgabe am Abend nachhole? Ihr könnt auch gerne überprüfen, ob ich dieser Pflicht auch nachkomme" Mehr konnte er nicht tun. Er hatte sich, seiner Meinung nach, sehr gewählt ausgedrückt und sein Problem überzeugend aber kurz geschildert. Jetzt lag es am Lehrer

"Wetter?" Interessiert horchte Alysha auf. Früher war es nicht ihre Art gewesen, sich in anderer Leute Gespräche einzumischen. Meist hatte sie nur auf mehrfache Aufforderung überhaupt den Mund aufgemacht. Doch sie hatte sich verändert. So war das Leben nun mal.
Außerdem stand die Schülerin, die gesprochen hatte, direkt vor ihr und da kam sie nicht umhin jedes Wort zu verstehen.
"Es muss also dunkel sein, ja?", hakte sie nach.

Gerade wollte Caleb Tila etwas erklären, da wurde er von diesem dunkelhaarigen Schüler angesprochen. Was faselte er da eigentlich? Und in so einer förmlichen Ausdrucksweise, dass Caleb ihn erstaunt anschaute. Es gibt also doch noch höfliche und freundliche Schüler. Wäre schön, wenn jeder so sein könnte. Vielleicht sollte ich mich mal mit seiner Familie unterhalten. Erziehungstyps für böse Kinder., dachte er gehässig. Er überlegte. "Ah, fast blind in der Helligkeit?" Er hatte schon öfert davon gehört. Und er hatte eine Idee. "Wir lösen das Problem ganz einfach." meinte er und erhob sich von seinem Platz. Lässig zog er einen Schlüssel heraus und steckte ihn in das Schlüsselloch. Einmal drehte er ihn herum und die Jalousine ging runter. Plötzlich wurde es etwas dunkler. So, dass die anderen noch sehen konnte. aber das es wohl nun auch für Konstantin möglich war. "Geht es so? Sonst werde ich noch einen Extraklassenraum aufschließen und den verdunkeln." So würde Caleb versuchen einige Schüler auf seine Seite zu ziehen. Freundlich war ganz oben.

Von Konstantin erwarteten viele auf den ersten Blick nicht, dass er eine ausgezeichnete Erziehung genossen hatte. Streng, ungerecht und diskriminierend, aber ausgezeichnet. Sein etwas ausgeflippter Kleidungsstil und die Vorliebe für Schmuck, zudem noch die Piercings, ließen auf etwas ganz anderes schließen. Doch obwohl ein Bastard, gehörte er immer noch zu einer sehr angesehenen Familie und bis vor drei Jahren hatte er auch immer versucht, diesem Bild zu entsprechen. Der wohlerzogene und zurückhaltende Sohn eines Software-Moguls, damit er wenigstens ein bisschen Anerkennung bekam. Aber abgesehen davon hatte ihm auch seine Mutter immer vermitteln können, dass Höflichkeit wichtig war und man gegenüber einem Erwachsenen und vor allem gegenüber einem Lehrer immer Respekt zeigen musste. Schließlich saßen diese erstens am längeren Hebel, zweitens hatten diese ihre Ausbildung hinter sich und waren nicht umsonst Lehrer geworden. Respekt verdienten sie, egal wie sie sich verhielten.
Er nickte, als der Lehrer seine Sehschwäche zusammenfasste und erkannte. "Das ist korrekt, Herr" Es war nicht unbedingt toll, aber er lebte damit. Sein angeborener Echolotsinn unterstützte ihn ja recht gut. Dass er nur morgens und abends sowie bei Kunstlicht und Bewölkung etwas sah, ging eigentlich auch niemanden etwas an, die meisten bekamen es nicht mal mit. Der Lehrer jedenfalls schien sich doch um seine Schüler zu kümmern, immerhin hatte er eine Lösung parat. Als es dunkel wurde, sah Konstantin dann auch wieder und das nicht schlechter als andere Menschen bei normalem Licht. Er verneigte sich wieder vor dem Lehre. "Ich danke Ihnen, Herr. Entschuldigen Sie bitte die Störung" Dass eine Schülerin, vor der er stand, ihn ansprach und nachfragte, was er genau meinte, registrierte er, reagierte jedoch erstmal nicht. Es gehörte sich nicht, mitten im Unterricht so etwas zu besprechen. Aber in der Pause war dagegen nichts zu sagen. "Nach der Stunde" war alles, was er zu der Schülerin sagte. Aber ein kleines Lächeln zog sich über seine Züge, damit sie sich nicht zu abgewiesen fühlte. Er ging zurück zu seinem Platz, diesmal schaffte er es sogar ohne Ultraschall. Ein wenig unangenehm war es schon, dass der Lehrer extra für ihn den Raum abgedunkelt hatte, doch anders ging es eben nicht. Er setzte sich über das Buch und überflog die Seite erst, bevor er sie genauer durchlas.

"Oh.", kam aus Alyshas Lippen, als der Lehrer das Problem innerhalb von Sekunden selbst löste. Seltsam enttäuscht ließ sie den Kopf hängen. Ihre Dienste wurden wohl nicht benötigt. Nun, das war ja nicht weiter schlimm, Hauptsache, dem Schüler, der sich aufgrund seiner Stimme doch als "er" entpuppte, war geholfen. Sie hatte doch gar keinen Grund sich so enttäuscht zu fühlen. Und doch tat sie es. Vielleicht fühlte sie deshalb so stark, weil sie so lange überhaupt keine Gefühle zugelassen hatte, dachte Al. Jede Kleinigkeit nahm sie momentan so mit. Egal. Sie konnte nicht zurück und sich wieder verkriechen und jetzt war definitiv nicht der richtige Augenblick, um sich mit der wiedergewonnenen Empfindsamkeit auseinanderzusetzen.
Der Junge lächelte sie an und sie konnte nicht verhindern, dass auch ihre Mundwinkel sich ein wenig hoben. "Nach der Stunde.", sagte er und sie verstand zunächst nicht, was er meinte. Was war denn nach der Stunde?
Egal. Sie riss sich endgültig zusammen und vertiefte sich wieder in den Text vor ihr. Das würde sie dann schon sehen.

Es klingelte laut und deutlich. Der Unterricht war zu Ende. Jetzt habe ich fast meinen gesamten Unterricht damit verbracht, diesen nervigen Schüler zu erziehen und bin nicht weiter gekommen, dachte er verärgert. Leise und freundlich sagte er zu Tila:"Ich möchte, dass du das A immer wieder aufschreibst."
Dann erhob er sich und sprach in die Klasse. "Der Unterricht ist beendet. Die Bücher werden eure Unterrichtsbücher für das restliche Jahr sein. Schreibt bitte eure Namen vorne rein, damit keine Missverständnisse auftreten. Jeder, der noch nicht fertig ist mit Lesen und den wichtigsten Stichpunkten aufschreiben, der macht das bis zum nächsten Mal fertig. Ich werde eure Zuverlässigkeit überprüfen." sagte er noch warnend. "Ich wünsche euch noch einen schönen Tag." sagte er und wandte sich ab.

Hilflos sah Tila zu Caleb hinüber, traute sich jedoch nicht, ihn anzusprechen - meinte er, dass sie das A jetzt weiter aufschreiben sollte, oder irgendwann am Nachmittag wenn sie lust zum üben hatte? Und wie sollte sie ihren Namen in das Buch schreiben, wenn sie nun mal nicht schreiben konnte?

Hope schrieb noch den letzten Punkt von Delayne ab und seufzte erleichtert als der Gong ertönte. Endlich... Die nächsten Stunden würde er schwänzen. Auf jeden Fall. Er packte langsam seine Sachen ein, unordentlicher als je zuvor.

In sorgfältiger Handschrift schrieb Alysha ihren Namen in das Buch. Nur den Vornamen jedoch, der Nachname gehörte ihr allein. Sie brauchte etwas länger, auch mit der Aufgabe war sie noch nicht fertig, denn sie schrieb nur schön und leserlich, wenn sie sich Zeit nahm.
Dann warf sie einen Blick auf ihre Nachbarin. "Hey. Soll ich deinen Namen auch aufschreiben?", fragte sie freundlich. Das Mädchen wirkte, als könnte es jeden Moment in Tränen ausbrechen, obwohl Alysha keinen Grund dafür finden konnte. Nun ja, so würde sie sogar ihren Namen herausfinden. "Wie heißt du denn?"

Celia hörte geduldig zu und schaute das Buch an. Es war ziemlich dick. Aber nicht der Rede wert. Sie hatte fleißig mitgeschrieben und war bereits auch schon, genau als es klingelte, fertig gewesen. Sie war eben eine fleißige Schülerin.
Es klingelte und sie erhob sich von ihrem Platz, verabschiedete sich vom Lehrer und ging raus an den See.

tbc: see

Erleichtert sah Tila das ältere Mädchen an.
"Tila", sagte sie dankbar und hielt ihr das Buch entgegen. "Das ist nett." Ein wenig neidisch sah sie zu, wie die andere das Buch aufschlug und verschlungene Linien auf die erste Seite malte. Wie sehr wünschte sie sich, das auch zu können!
Neugierig warf sie einen genaueren Blick auf das Papier. "So sieht mein Name aus?"

"Genauso." Alysha lächelte, als sie die Faszination des anderen Mädchens bemerkte. "Ich bin Alysha.", stellte sie sich vor. "Ich hab Jahre gebraucht, um das Schreiben zu lernen.", stellte sie gedankenverloren fest. "Bei dir wird es vermutlich ungleich schneller gehen."

Tila zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht... dafür, dass es nur aus drei Strichen besteht, sieht mein A noch immer ziemlich wackelig aus." Sie sah auf ihr Blatt hinunter, auf dem sie fast zwei Reihen mit As gefüllt hatte.

"Du fängst ja auch gerade erst an.", ermutigte Alysha die andere. "Und du wirst vermutlich nicht ständig aus dem Unterricht rennen, so wie ich damals. Das wird die Sache ziemlich beschleunigen, denke ich." Richtig schreiben gelernt hatte sie erst bei Eleyn...

"Aus dem Unterricht rennen?", wiederholte Tila verblüfft. Nun, das würde sie vermutlich wirklich eher nicht versuchen. Vor allem nicht bei diesem Lehrer.
Vielleicht würde sie wirklich den ganzen Tag lang weiter As malen, dann würden ihre bestimmt irgendwann so schön werden, wie die von Alysha.

Hope schnappte sich sein Skateboard, als Delayne ihn noch mal ansprach. "Oh, da musst du jemand anderen fragen. Ich geh auch nicht zur nächsten Stunde." Er zuckte mit den Achseln und lächelte sie entschuldig an. Diese Unterrichtsstunde war schon anders gewesen. Klar, Hope hatte es drauf angelegt, aber der Lehrer war ja auch nicht besser gewesen.

Delayne sah Hope überrascht an. Okay, er schien nicht gerade ein Engel zu sein, aber sie hätte nicht gedacht, das er den Unterricht schwänzte. Aber immerhin, dachte sie bitter, bin ich ein Engel und gehe trotzdem nicht in den Unterricht.
Trotzdem fragte sie Hope: "Warum gehst du nicht zur nächsten Stunde?"

"Der Unterricht ist doch nicht Pflicht, oder?", stellte er die Gegenfrage. Er nahm das ganz selbst verständlich und verstand nicht warum sie deshalb so überrascht war. "Also muss ich ja nicht hingehen." Delanye schien richtig aufrichtig, anders als Hope.
Hope wandte sich zum Gehen um, da fiel ihm noch was ein: "Achja, danke wegen eben. Das war echt... nett von dir." Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf und sah zur Tür. Irgendwie gefiel es ihm nicht, das sie ihn in Schutz genommen hatte. Er hätte sie in Schutz nehmen sollen.

"Ist eine lange Geschichte.", entgegnete Alysha nur. Sie wollte Tila jetzt nicht verängstigen. "Weißt du zufällig, was als nächstes auf dem Stundenplan steht, Tila?", fragte sie. Sie hoffte, dass sie zumindest eine kleine Pause hatten. Allein schon, um herauszufinden, was der Junge mit ihr besprechen wollte.

"Ich weiß nicht, ob der Unterricht Pflicht ist. Ich habe mich nur gefragt, warum du nicht hingehst.", erklärte Delayne.
Sein Dankeschön tat sie mit einem kleinen Lächeln in seine Richtung ab.
Sie wusste doch selbst nicht, warum sie ihm geholfen hatte. Woher sie den plötzlichen Mut genommen hatte. Deshalb wusste sie auch nicht, ob sie deshalb ein "Danke" verdient hatte.

Hope nickte, während er seine Kapi zurecht rückte. "Also man sieht sich. Spätestens zum Mittagessen." Er hob kurz die Hand zum Abschied, so wie sie es in seinem Heimatland immer gemacht hatten. "Ich gehe jetzt in den Musiksaal." Hope befand es als richtig, sie davon in Kenntnis zu setzten (heute wieder so schlau xD). "Möchtest du mit kommen?"

Delayne wollte schon ablehnen, als sie sich daran erinnerte, was Kylaila ihr bevor sie sie hier her geschickt hatte, gesagt hatte.
"Okay. Wenn du mich dabei haben willst.", antwortete Delayne.
Sie würde schon noch an die frische Luft kommen und nur mit einer weiteren Person zusammen in einem Raum zu sein, war viel einfacher, als mit so vielen.

Hope grinste. "Sonst hätte ich nicht gefragt."
Mit Delayne im Schlepptau machte er sich auf den Weg zum Musiksaal.

(Haltet euch bereit! Anni, es geht los xD)

Selbst als es läutete, beendete Konstantin erst noch seine Notizen, bevor er vorn in das Buch seinen Vor- und Zunamen eintrug. Er war ein sehr gewissenhafter Schüler und gerade, da der Lehrer für ihn den Raum verdunkelt hatte, wollte er ihn nicht enttäuschen. Erst als er alles beendet hatte, steckte er Buch und Block wieder zurück in die Tasche und sah auf seinem Taschencomputer nach der nächsten Stunde. Nur wurde das Programm irgendwie blockiert. Hatte er sich etwa einen Virus eingefangen? Nein, der Scanner zeigte nichts an. Seltsam, weshalb konnte er dann auf sein Stundenplanprogramm nicht zugreifen? Dann gingen die Jalousien hoch und augenblicklich wurde die Welt schwarz um Konstantin. Er seufzte und steckte seinen Taschencomputer weg. Dann sondierte er wieder lautlos seine Umgebung. Er schuldete dem Mädchen ja noch eine Erklärung. Er kannte ja nicht mal ihre Namen. Er entschloss sich also zu einem Lächeln und ging sicheren Schrittes auf das Mädchen von vorhin, dass sich jetzt mit dem Mädchen unterhielt, welches offenbar nicht lesen und schreiben konnte. An seinen ganzen Bewegungen, seiner Haltung, nicht mal sein Blick verriet, dass er jetzt gerade stockblind war. Als er wieder vor dem Mädchen stand, sah er sie direkt an. Lächelte, wenn auch nicht so, dass man seine spitzen Fangzähne sehen konnte. Den Ultraschall konnte er auch so erzeugen, zumindestens auf die kurze Distanz. "Ich schulde dir wohl eine Erklärung. Vorhin fand ich es einfach nicht richtig, mitten im Unterricht. Wie auch immer, mein Name ist Konstantin. Und ja, ich leide, besser ich habe eine Lichtintensitätsblindheit. Ich sehe nur in der Dämmerung, bei Kunstlicht und bei Bewölkung wie jeder andere Mensch auch. Nachts und am Tage bin ich ansonsten nicht in der Lage zu sehen. Konnte ich deine Fragen alle beantworten?" Sie war recht hübsch, fand er zumindestens. Von zwar erkannte er ihre Haar- und Augenfarbe nicht, aber Konturen und Gesichtszüge schon.