"Wieso? Was ist mit ihr?" Kay merkte, wie er leicht albern wurde. Ein gutes Zeichen? Es war irgendwie fast eine Erleichterung.
Er rutschte auf dem Baumstamm herum und lehnte sich leicht gegen Ayannah. Er merkte es kaum und es war mehr ein Zufall, dass er sowohl einen Pulli als auch Handschuhe anhatte. Glück für sie.
Die Wodkaflasche wanderte wieder zu ihm und er trank.

Noch einen Schluck. Über Yaleen zu reden schien plötzlich wie das leichteste der Welt. Wie atmen. Das der Wodka so scheußlich schmeckte, kümmerte sie nicht mehr.
"Wir haben uns gestritten, kurz nachdem ich meine Fähigkeit... entdeckt habe. Sie ist fort."
Sie ist enttäuscht. Sie ist neidisch.
Du hast sie zurückgelassen.
Der Alkohol minderte die Traurigkeit, die bei diesem Gedanken in ihr aufsteigen wollte.
Kay lehnte sich leicht gegen sie. Seit wann war er so nah? Wohin war der Sicherheitsabstand verschwunden. Aya tippte mit ihrer Hand leicht gegen seine, sie wusste nicht warum.

"Und sie hat sich nie wieder bei euch blicken lassen? Das ist krass.", stellte Kay fest und meinte krass im Sinne von heftig. Seit wann brachen Familien so leicht auseinander? Sollte es nicht eine Regel geben, die genau das verbot? "Alles scheiße.", murmelte er in seinen nicht vorhandenen Bart und nahm noch einen Schluck aus der Flasche um das Elend der Welt zu vergessen. "Sie weiß echt nich, was sie an dir hat."

Aya schnaubte. "Das scheinen so einige Leute nicht zu wissen."
Wo kam der Unmut her? Normalerweise würde sie ihn sich niemals so anmerken lassen, aber plötzlich dachte Aya: Warum nicht?
"Ja, krass", fuhr sie fort. "weiß nicht wo sie ist... was sie macht..."
Sie sah Kay von der Seite an - so nah waren sie sich noch nie gewesen. "Was ist mit dir? Familie?"

"Frag nich." Kay schüttelte den Kopf. Nicht gut, das Schwindelgefühl nahm zu. "Mein Vater hasst mich. Meine Mutter sorgt sich, weil sie glaubt, dass ich das größte Monster südlich von Loch Ness bin. Und meine Geschwister haben einfach nur eine Scheiß-Angst. Kacke, das alles!" Seltsam, wie leicht es plötzlich fiel darüber zu sprechen. Und wie gut es tat, sich jemanden anzuvertrauen. "Ich frag mich, was sie sich dabei denken. Ich bin doch immer noch ich, oder?" Er musste hicksen. "Ich bin doch ich, oder Aya?" Die Flasche war schon halb leer.

"Wir sind... wer wir sind... und wir können auch niemand anders sein."
Aya bemerkte beiläufig, dass es ihr immer schwerer fiel, Worte zu formen. Die Buchstaben, Worte, schienen in einander überzufließen, doch zumindest konnte man verstehen, was sie sagte. (Noch.)

"Sin wir überhaupt?", begann Kay zu philosophieren. "Ich mein, gibsda nen Beweis? Alles, was wir wissn, wissn nur wir, oder? Un wir könn ja gar nix anderes wissn. Also wissn wir eigntlich gar nix, oder?" Er trank noch einen kräftigen Schluck und merkte gar nicht, wie er zu lallen begann. "Weissu? Wenn ich ein Mädel gewordn wär, wär ich du gwordn... glaub ich sumindest.", fügte er überzeugt hinzu.

Aya begann unkontrolliert zu kichern. "Und was wäre ich dann geworden?"
Zufrieden bemerkte sie, dass sie immer noch deutlicher sprach, als Kay. Gewonnen. Der Gedanke brachte sie schon wieder zum lachen. Eben noch war ihr die Welt recht trostlos erschienen. Wieso? Eigentlich war alles lustig.

"Na n Junge!", verkündete Kay im Brustton der Überzeugung und überreichte ihr feierlich die dreiviertelsleere Wodkaflasche. "Du wääääärs..." Er legte beim Nachdenken den Kopf schief und fiel fast vom Baumstamm. "... Hope geworn!" Gerade so fand er sein Gleichgewicht wieder. "Jaaaa! Du hätts n guten Hope abgegeben."

Gerade so konnte Aya schwankend die Hand ausstrecken und sich an Kays Arm festhalten, denn fast wäre auch sie vor Lachen vom Baumstamm gerutscht. Einen Moment saßen sie beide da und kämpften gemeinsam darum, ihr Gleichgewicht wieder zu finden.
"Wääre Hope dann ich?", brachte Aya schließlich hervor. "Müss'e ich dann Skateboard fahren?"

Einen Moment lang wollte Kay seinen Arm wegziehen, doch dann ließ er es bleiben. Warum hatte er es überhaupt tun wollen? Der Grund fiel ihm nicht mehr ein.
Bei Ayas nächsten Worten brach er erneut in Gelächter aus. "Du auf nem Skateboard? Dassis su komisch!" Er schlug sich mit der freien Hand auf den Schenkel. Dann hatte er sich wieder beruhigt und schielte Aya von der Seite an. Sein Blick war leicht verschleiert.
Plötzlich ohne ersichtlichen Grund begann er wieder zu lachen. "Dassis immer noch komisch!", stellte er fest.

"Glaust, ich könnte das nich?" Entrüstet sah sie ihn an. "Ichabs einmal ausprobiert..."
Es war nicht sonderlich gut verlaufen, damals, aber bestimmt könnte sie es heute besser... vor allem jetzt. Es gab nichts, was sie nicht konnte! Alle würden schon sehen...

"Echt?" Kay blickte Ayannah beeindruckt an. "Un... wie gehsem Baum, gegn den du gefahrn bis?" Er prustete erneut los. "Baum!!! Gefahrn!!! Suuu komisch!"
Seltsam, wie lustig plötzlich alles war. Warum hatte er sich vor kurzem noch Sorgen gemacht?

"Sss war kain Baum", nuschelte Aya und blinzelte. Irgendwie wirkte alles so verschwommen. "War'n Sssschtraßenschild."
Hope hatte sie ausgelacht und gemeint, wer auch immer sie töten wolle, brauche keine Briefbombe oder ähnliches schicken, sondern ihr einfach ein Skateboard in die Hand drücken.

"Oh." Betreten sah Kay in eine andere Richtung, er hatte ja nicht gewusst, dass es ernsthaften Personenschaden gegeben hatte. "Un? Wie gehsem? Weiß man, obs überlebt?" Sorgenvoll warf er einen Seitenblick auf Ayannah. Das arme Straßenschild! Bestimmt hatte es Verwandte gehabt, eine Familie...

"Bischen verboogen, aber okay." Aya winkte ab, obwohl sie selbst im betrunkenen Zustand nicht drum herum kam, ein wenig beleidigt zu sein: Ein unbekanntes Straßenschild war ihm wichtiger als sie! Er wusste nicht einmal, was es für eins gewesen war!
"Ich mag dich, Kay", meinte Aya und blinzelte durch das zunehmende Dunkel zum Himmel auf.

"Echt jetz?" Kay sah sie zweifelnd von der Seite an. "Da bissu die einsige, glaubich.", stellte er betroffen fest. "Die allereinsigste!" Traurig ließ er den Kopf hängen. "Denn weissu, mein Vater kann mich nich ab, meiner Mutter binich wohl sowasvon scheißegal und meine Geschw... Geschw...Geschwister - schwierijes Wort - ham Angst." Ja, so war das wohl. "Un dann noch Usi, middem hab ich ständich stress... un Jax... und sowieso jeder sweite Schüla. Un Penny hass mich... spätestens jez." Er rülpste kläglich.

Noch einmal nahm Aya die Flasche an sich und trank einen kräftigen Schluck.
"Glaub ich nich.." Plötzlich müde rieb Aya sich mit einer Hand über die Augen. "Du kanns nämlich volll... nett sein, manschmal, Kay, escht... und ich... mag dich." Aus irgendeinem Grund konnte sie nicht aufhören, es zu sagen. Da war etwas an dem Gedanken, an diesem Satz, dass sie traurig machte, doch sie konnte sich nicht genau erinnern... was es war. Eine leise Stimme in ihr sagte ihr, dass sie es bereuen würde, was sie im Augenblick tat, aber diese Stimme war unter Nebel aus Alkohol begraben. Aya lehnte den Kopf gegen Kays Schulter (ein Glück, dass er was an hat O.O).
"Ich glaub isch... liebe dich, Kay. Ich..." Die Flasche rutschte ihr aus den Fingern. Klare Gedanken zu fassen, fiel ihr immer schwerer...

cf: Der Lagerfeuerplatz

Aurora beobachtete die anderen Schüler, während sie so ging. Sie versuchte die aufkommenden Gedanken zu verdrängen. Besonders an Levin. Was er wohl gerade machte? Ging es ihm gut? Fragen ohne Antworten. Zumindest würde sie die nicht jetzt beantworten können. Aurora seufzte tief, während sie eine Strähne um ihren Zeigefinger wickelte und auf den Boden schaute. Sie ging und ging. Wieder seufzte sie tief. Schien es denn keine Lösung für ihre Probleme zu geben? Scheinbar nicht, ohne jemanden zu verletzen. Wut brannte in ihr auf. Manchmal hasste sie wirklich ihr Leben. Es wäre so ein einfaches es zu beenden. Unwillkürlich blieb sie stehen und schaute zurück über die Schulter zum Meer.

[First-Post]

Milan beobachte das rothaarige Mädchen nun schon eine ganze Weile, wie sie sich mehr und mehr von der Gruppe entfernte und in den Wald hineinlief. Aus einem Impuls heraus war er ihr gefolgt und als hätte er es geahnt, seufzte sie zum wiederholten Male und schaute über die Schulter zum Meer, in ihrem Blick ein Ausdruck, den er schon viel zu oft gesehen hatte. Todessehnsucht. Wieso glaubten so viele, der Tod wäre besser als das Leben? Das hatte er nie verstanden, und er war tot. Gewissermaßen.
Der Geist ging auf das Mädchen zu, seine Füße verursachten kein Geräusch auf dem Waldboden. Neben ihr blieb er stehen, sein Blick ebenfalls auf das Meer gerichtet.
"Das wird es nicht besser machen", sagte er mit ruhiger Stimme, sein Gesicht unbewegt. "Der Tod ist dem Leben nicht vorzuziehen, ich wünschte, ihr törichten Wesen würdet das endlich begreifen."

Aurora schreckte aus ihren Gedanken auf. Wer hatte da gesprochen? Die Stimme war fremd. Ihr unbekannt. Sofort schnellte ihr Gesicht in die Richtung. Ein kleiner Junge stand neben ihr und schaute zu ihr auf. Er war gerade mal ein paar Zentimeter kleiner wie sie. Sicherlich würde er ihr nichts tun. Wenn doch, wäre sie ihm um einiges überlegen. Das hoffte sie zumindest. Denn momentan war sie noch zu schwach zum Kämpfen. Die letzten Tage in Gefangenschaft hatten zu sehr an ihrem Körper gezerrt.
Ausdruckslos schaute sie den Jungen an. Etwas war merkwürdig an ihm. Nur sie kam nicht drauf. Doch sie würde es herausfinden. Ganz gewiss. "Wie kann ein kleiner Knirps wie du von so etwas reden? Du bist doch gerade mal 11, wenn nicht gar jünger. Ich bezweifle stark, dass du weißt, wovon du redest." Spott schwang in ihrer Stimme mit. Aber irgendetwas in ihr sagte ihr, dass der Junge doch wusste, wovon er sprach. Irgendwie weckte er in ihr Misstrauen. Aurora schaute ihn leicht aus zusammen gezogenen Augenbrauen an.

Milans Lippen kräuselten sich zu etwas, das man ein amüsiertes Lächeln nennen könnte.
"In Menschenjahren bin ich 10 Jahre alt, nicht schlecht geschätzt. In Geisterjahren habe ich 'kleiner Knirps' mehr als ein halbes Jahrhundert gesehen. Ich habe schon viele wie dich getroffen, ihr alle habt diesen Funken in den Augen, diese Todessehnsucht. Aber ihr habt nicht die geringste Ahnung, was und wie der Tod wirklich ist. Ich konnte nie verstehen, wie man sein Leben fortwerfen kann, so leicht, so unbedacht. Wenn ich es könnte", Milans Augen wurden kurz sehnsüchtig "würde ich die Chance zu leben mit Kusshand ergreifen." Während er sprach, kam der Mond hinter den Wolken hervor und beleuchtete seine Silhouette, offenbarte was er war, als die silbrigen Strahlen einfach durch ihn hindurchschienen.
Milan schwieg einen Moment, ließ seine Worte wirken, bevor anfügte: "Und nun sag mir noch einmal, dass ich nicht weiß wovon ich spreche."

Aurora bedachte ihn mit einem nachdenklichen Blick. "Ah, ich habe es also mit einem Geist zu tun." meinte sie nachdenklich. "Gut zu wissen." Dann seufzte sie tief. "Du glaubst also ich habe Todessehnsucht? Ja, du hast recht. Hättest du allerdings das erlebt, was ich erlebt habe, hättest du das sicherlich auch." meinte sie ernst. "Sicher. Tod ist keine Lösung. Aber wenn man so verzweifelt ist wie ich, scheint das der einzige Ausweg zu sein." Energisch fuhr sie sich durch ihre langen, roten Haare, sodass einige Strähnen wirr abstanden.
Der Mond kam langsam hinter dem Horizont hervor und zeigten das wahre Ich des Jungen. Die Strahlen gingen mitten durch ihn hindurch. Würde ich auch so enden? Wäre ich auch eine ruheloser Geist, der nie seine Ruhe finden würde? Es muss eine Qual für den Jungen sein, zu sein, was er ist. Ich wüsste nicht, ob mir das Leben eines Geistes gefallen würde. Ich könnte nie etwas anfassen geschweige denn berühren. "Ich habe dich wohl unterschätzt. Verzeih mir. Ich wusste nicht, dass ich es mit einem Geist zu tun habe." sagte sie nun in einem etwas freundlicheren Ton. Eine Brise kam auf. Es wurde eindeutig windiger. Vielleicht nahte ein Sturm. Der Wind brachte ihre Haare nur noch mehr durcheinander. Doch es störte sie nicht. Warum auch? Wen sollte sie beeindrucken? Es gab nur einen Jungen, den sie mochte. Und der hatte sie verlassen.
Kurze Verzweiflung und Trauer überschwemmten sie. Kurz sah man sie in ihren Augen aufflackern. Doch so schnell sie gekommen waren, so schnell hatte sie sie wieder unterdrückt.
"Ich bin Aurora." sagte sie schnell und lächelte leicht. Irgendwie war ihr noch immer elend zu mute.

[Ups, der Post wurde länger als gedacht XD]

"Glaub, wassu wills.", meinte Kay müde. Er würde es ihr bestimmt nicht vorschreiben, er war sich gerade nicht einmal sicher, was er selbst glaubte. Und dann sagte er eine ganze Weile nichts mehr. Er war zu beschäftigt damit, den Sinn von Ayas Worten zu entschlüsseln.
"Du... liebs mich?", fragte er ungläubig. Dann wieder ausgedehntes Schweigen.
"Oh." Er kratzte sich am Kopf. "Dasn Fehler, Aya. Glaub ich sumindest. Dasis verkehrt." Er hatte vergessen, warum, aber der Gedanke machte ihn seltsam traurig.
"Oh, der... Wodka." Er bückte sich, um die Flasche aufzuheben und fiel dabei beinahe vornüber. Die Flasche war ausgelaufen und klebte an seinen Fingern, aber er nahm sie trotzdem. Kay hatte nicht bemerkt, dass sie längst leer war und setzte sie an die Lippen. "Oh, Deckel drauf.", murmelte er und versuchte am offenen Flaschenhals zu drehen. "Du solltes das nich, Aya. Dasis böse.", griff er den verlorenen Faden wieder auf. Irgendwie machten ihn Ayas Worte schrecklich wütend. Warum sie? Warum überhaupt? Und warum nicht... Penny?

Aya konnte nicht anders... selbst durch den Nebel von Alkohol und Müdigkeit fühlte sie sich gekränkt, zurückgewiesen... und traurig. Der Wodka milderte ihre Denkfähigkeit, doch es tat weh. So weh.
Mit plötzlicher Wut rupfte Aya an einem nahestehenden Strauch. Blätter rieselten zu Boden. "Warum falsch? Wisso böse?" Ihre Hände kämpften mit einem Zweig, brachen ihn durch. "Warum darf Penny das, und ich nicht?"