Mitten in vergilbten Papieren, Stabeln von Büchern, Dampfen von Zaubertränken, saß der kleine Thaddäus Wolkendamm auf seinem -für das Menschliche Auge so groß wie eine geschlossene Faust- Sessel und rauchte seine Pfeife. Der Qualm der dadurch entstand bewegte sich in Kreisen aufwärts, bis er in der stickigen Luft verdampfte. Zufrieden seufzte Thaddäus und nahm eine Traube, die so groß wie sein Kopf war, und biss herzhaft in diese hinein. Das Büro des Magiers war so groß wie das eines Menschens, so dass es dem Däumlingszauberer viel größer erschien als es in Wirklichkeit war. An den Wänden türmten sich Bücher und hingen Bilder von seinen längst verstorbenen Verwandten. Der Steinboden war blitzblank und übersäht von Papierkugeln. Auf dem roten, samtigen Teppich lag ein Kater, der im Augenblick nicht versuchte Thaddäus zu fressen. Trotzdem blieb der Zauberer dem Wesen gegenüber skeptisch.

Wolkendamm vernahm ein Klopfen. Er spitzte seine zierlichen Ohren und lauschte nach einer Stimme, als er jedoch nichts hörte, rief er laut und klar: "Herein?" Thaddäus nahm seinen Zauberstock zur Hand - er war immer noch der Meinung, dass er so am mächtigsten aussah- und wartete geduldig auf den Klopfer.

Helizia trat durch die Tür. "Mr Wolkendamm?" Sie sah sich suchend um. Es war niemand hier. Der Schreibtisch war verlassen. Fast wäre sie auf den Kater getreten, der beleidigt auf den Schreibtisch sprang und sich mit lauernden Schritten dem kleinen Lehrer näherte. Liz sah sich suchend um. Der Professor war nirgends zu sehen. Sie drehte sich wieder zur Tür um.

Thaddäus stieß einen gellenden Schrei aus und sprang von seinem Stühlchen-Thron auf, der scheppernd auf den Schreibtisch fiel. Der Kater näherte sich dem Lehrer, der eine komblizierte Geste mit der Hand beschrieb, vorauf hin der Kater sich in die Luft erhob.

Erstaunt drehte Liz sich wieder um. Hatte sie sich den Schrei nur eingebildet? Sie glaubte ihren Augen kaum als der Kater verwirrt miauend vor ihr in der Luft herum segelte. Mit einer schnellen Bewegung holte sie diesen wieder auf den Boden zurück und ließ zu, dass der Kater auf ihrer Schulter Platz nahm. "Mr. Wolkendamm ?"
Sie suchte den Schreibtisch ab und fand eine angebissene Weintraube, einen kleinen Puppenstuhl und das Püppchen, welches ein altmodisches Gewand mit Sternen und Monden trug. Innerlich grinsend bemerkte sie, dass das Püppchen lebte. Das musste der Lehrer sein, der fast von dem Kater angeknabbert worden wäre.
Während sie den Lehrer ansah, streichelte sie den Kater, der mit blitzenden Augen zu Thaddäus herunterblickte.

"Ich bevorzuge Magister Wolkendamm.", meinte der Däumling aufgebracht und strich sein Gewand erneut glatt. Misstrauisch beäugte er das Mädchen und vorallem den Kater. "Und ich würde mich vor dem Ungetüm in Acht nehmen. Ihm ist nicht zu vertrauen." Vor sich hinbrummelte stellte er seinen Thron wieder auf und setzte sich, den Zauberhut zu recht rückend, wieder hin.

Helizia musste sich ein Kichern verkneifen. Ein kleines aufgebrachtes Püppchen. Wie süüß. "Also, Magister Wolkendamm" Sie schaffte es erfolgreich sich den Spott nicht anhören zu lassen. "Erstens, ich wollte mich an dieser Schule anmelden."
Sie streichelte den Kater weiter. "Er ist nur etwas hungrig, das ist alles.", murmelte sie. "Gehe ich recht in der Annahme, dass sie die Katze hier nicht behalten wollen? Könnte ich sie in mein Wohnblock mitnehmen?"

Magister Wolkendamm schnipste mit einer Hand und im nächsten Moment flog ein schwarzer Federkiel vor seiner Hüfte. Mit einer geübten Bewegung hüpfte er auf die Feder. Mit einem weitem Bogen transportierte sie ihn direkt vor Helizia, wo sie direkt vor ihrer Nasenspitze in der Luft stehen blieb. "Eine Hexe also? Mh... an dir muss noch viel gearbeitet werden. Am besten kommst du wie die anderen Anfänger-Zauberer mal zu einer Einzelunterrichtsstunde zu mir. Dann wirst du auch lernen, dass manche Tiere sogenannte Hilftiere von Magiern sind. Wie Harpyie. Sie ist mein persönliches Hilfstier. Ich würde die also raten das Biest hier zu lassen, sonst könnte es in einer Katastrophe enden."

Unbeeindruckt sah sie dem Püppchenzu, wie es vor ihrer Nase herumflog. "Ja, ich bin eine Hexe." EINZELUNTERRICHT ??? Noch mehr Stunden als die Anderen ??? Nach reichlichen Überlegen sagte sie schließlich zu. "Vielleicht hilft es mir meine Fähigkeit in Griff zu bekommen", murmelte sie.
Dann fiel ihr Mira wieder ein. "Im Krankenzimmer ist ein Mädchen, verletzt. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn irgendjemand sich darum kümmern könnte. Finde ich sowieso reichlich seltsam, dass sich noch niemand um sie gekümmert hat."
Sie holte tief Luft. "Entschuldigen Sie meine Gereitstheit, Magister. Ich hatte einen langen Weg hierher. Gibt es einen Plan, den ich bekomme?"

"Es ist in deinem eigenen Interesse.", meinte der Zauberer und lauschte den nächsten Worten der Hexe aufmerksam. "Nun... verletzt?" Murmeld ließ er sich zurück zum Schreibtisch fliegen, und öffnete mit einer Handbewgung die Schubladen. Er sprang ab und suchte. Als er schließlich das Kristallfläschchen mit der purpurnen Flüssigkeit gefunden hatte, setzte er sich wieder auf seinen Federkiel und schwebte zurück zu Helizia. " Ich habe hier keinen Schulplan. Für jetzt werde ich dir den Weg weisen." Er wägte die nächsten Worte genau ab, bevor er sagte: " Würdest du mich nun bitte auf deiner Schulter transportieren?"

Helizia sah neugierig zu, wie das Püppchen nach einem Kristallfläschen suchte, dass so groß war, wie der Lehrer selbst. Dann musste sie sich beherrschen nicht bei der Frage nach dem Transportmittel zusammenzuzucken. Aber, wenn es Mira helfen würde...
Sie setzte den Kater vorsichtig zu Boden und nickte dem Däumling zu.

Thad wiederte es ein wenig an sich auf den Platz zusetzen, wo eben noch die Bestie gekauert hatte. Trotzdem erwiederte er nichts, machte es sich nur bequem auf ihrer Schultern. Kurz darauf beschrieb er Helizia den Weg zur Krankenstation.