Darren führte die kleine Gruppe in den nahe gelegenen Steinbruch, einen recht kargen Ort, an dem nicht viel kaputtgehen konnte. Sie schienen alle ein wenig besorgt zu sein, manche mehr, manche weniger. Es würde hart für sie werden, aber es musste sein.
"So. Dann hört mal alle her.", sagte er laut, damit alle ihn hören konnten. "Es ist wichtig, dass ihr nun genau meine Anweisungen befolgt: Stellt - oder setzt - euch erstmal da hin." Er deutete auf einen spärlich mit Gras bewachsenen Fleck.
"Das hier ist notwendig, damit ich eure Fähigkeiten einschätzen kann, aber auch für euch ist es von Bedeutung, denn manche von euch haben ihre Fähigkeit vielleicht sogar noch nie willentlich eingesetzt. Aber wie wollte ihr sie kontrollieren, wenn ihr sie noch nicht einmal bewusst benutzt habt?"
Nun musste er ein Exempel statuieren und er musste die nehmen, die am allermeisten Angst hatten. Sonst wäre es nicht glaubwürdig genug.
Verdammt, Viv würde ihn hassen!
"Ich suche zwei Freiwillige... ja, wie wäre es mit Vivalie und Aurora." Er nickte den beiden zu. Alysha war auch in seiner engeren Auswahl gewesen... aber nach dem, was gestern geschehen, wollte er ihr das noch nicht zumuten. Außerdem wurde er den Gedanken nicht los, dass sich etwas verändert hatte.
"Kommt mal hierher, ihr beiden." Er winkte sie zu sich.

Aurora war Darren gefolgt. Ein Steinbruch? Wo sollte dies hinführen? Sollten sie arbeiten? Aber das war doch KINDERARBEIT. Leise seufzte sie. Gerade als sie sich hinsetzen wollte, rief Darren sie auf. Genau in ihrer Bewegung verharrte sie und starrte den Lehrer geschockt an. "Was? Warum gerade ich?" sagte sie geschockt. Warum nur sie? Hier waren doch noch so viele andere Schüler. Aurora verkniff sich noch einen patzigen Kommentar und ging mit steifen Schritten zu dem Lehrer. Ängstlich starrte sie die Anwesenden an. "Damit Sie es nur wissen." murmelte sie leise. "Ich werde ganz bestimmt nicht meine Fähigkeit gegen irgendjemanen anwenden." Ihre Stimme war leicht verärgert. Auch aus dem Grund, weil Darren gerade sie aufgerufen hatte. So ein Idiot. Darren stieg gleich ein paar Stufen auf ihrer Sympathieleiter nach unten und kam dem Minusbereich gefährlich nahe.

Viv konnte es einfach nicht fassen. Ihr Kopf schaltete auf stur. Was verdammt noch mal hatte er vor? Viv ballte eine Hand zur Faust, aber so, dass es niemand sah. Sie hatte Darren versprochen, zum Unterricht zu erscheinen, nun gut, sie war da, aber sie musste nicht bleiben. Sie trat einen Schritt auf ihn zu. In ihren Augen lag Angst, aber auch Wut. Wollte er sie vor allen vorführen? Wollte er, dass all die Schüler starben?
"Bist du verrückt geworden, Darren?", zischte sie und schüttelte den Kopf. Das machte keinen Sinn!

"Ach, hatte ich das noch nicht erwähnt? Ich bin ein sadomasochistischer Irrer und würde gerne zusehen, wie ihr euch gegenseitig quält.", sagte Darren voller Ironie. Wofür zum Teufel hielten sie ihn eigentlich?
"Aber jetzt mal Spaß beiseite.", fuhr er ernst fort. "Ich weiß, ihr habt eine Scheißangst, aber ich würde niemals zulassen, dass irgendjemanden hier etwas geschieht."
Vokabular pädagogisch ungeeignet... egal.
Er hatte diese beiden auswählen müssen, weil sie sich am meisten fürchteten, aber das würde er ihnen später erklären.
"Ihr habt euch bestimmt schon gefragt, wer unser Gast hier ist." Wenn sie sich nicht gerade darauf konzentrierten, sich Sorgen zu machen.
Timon lächelte und trat einen Schritt näher zu Darren.
"Das ist Timon. Er würde sich ja selbst vorstellen, aber leider beherrscht er unsere Sprache nicht. Er ist ein alter Freund von mir und kommt aus einem der Nachbarländer - ich vergesse nur den Namen immer. Und netterweise erklärt er sich jedes Jahr bereit, mir bei ein oder zwei Stunden Unterricht ein wenig unter die Arme zu greifen." Darren lächelte schief. "Doch obwohl er auch über ein beträchtliches Geschichtswissen verfügt, ist das nicht der Grund, warum er hier ist. Sondern seine etwas speziellere Fähigkeit."
Der Ork drehte sich zu Vivalie und Aurora um und sprach sie direkt an. "Timon verfügt über den machtvollsten Schutzschild, den ich jemals erlebt habe und besitzt noch zusätzlich dazu einige nützliche Eigenschaften."
Er wechselte einige schnelle Worte auf Zwergisch mit Timon und der Zwerg nickte zustimmend.
"So gesehen ist er der perfekte Mann für unsere kleine Unterrichtsstunde. Aurora, du beginnst. Deine Fähigkeit ist das Verursachen mit Schmerzen, nicht wahr? Kannst du zielen oder hat deine Fähigkeit einen bestimmten Radius?"

So kommst du mir auch vor., dachte sie gehässig, behielt aber ihre Worte für sich. Argwöhnisch betrachtete sie den Zwerg. Der sollte einer der machtvollsten Schutzschilede überhaupt besitzen? Aber er war so klein. Aber wie sie bereits erkannt hatte, sollte man nicht immer auf das Aussehen achten. Denn wer dahintersteckte, war wichtig. Warum muss eigentlich ich immer anfangen?, dachte sie murrend. Dann trat sie einen Schritt auf den Zwerg zu, der ihr gerade mal bis zu den Oberschenkeln ging. "Wie Sie meinen. Auf die Gefahr hin, dass gleich einige Schmerzen haben werden. Aber nun ja." Leise seufzte sie. "Das weiß ich ehrlich gesagt nicht so genau. Aber die anderen sollten ruhig in Denkung gehen." erklärte sie ihm. Plötzlich wurde sie ungewöhnlich ruhig. Beinahe zu ruhig. Sie hatte aber auch schreckliche Angst. Was ist, wenn sie dann keine Kontrolle mehr über sich hatte? Alle Verletzte? Denn wenn sie einmal begann, würde sie nicht mehr aufhören können. Ihre Hände wurden feucht und sie wischte sie sich an der Hose ab. "Ich glaube aber, dass ich auch direkt zielen kann. Nur muss ich mich sehr darauf konzentrieren."

"Dann werden wir besser auf Nummer Sicher gehen.", erwiderte Darren beruhigend und sagte noch etwas zu Timon. "Er dehnt seinen Schild auf alle außer dir aus. Ich möchte, dass du jetzt deine Fähigkeit gezielt auf ihn anwendest, und zwar so stark, wie du kannst. Ihm wird nichts geschehen, aber er kann mir hinterher sagen, wie stark du bist. Außerdem bekommst du ein Gefühl dafür, was du mit wieviel Kraft erreichen kannst und wann deine Reserven aufgebraucht sind."

Vivalie schnaubte, gerade so laut, das Darren es hören konnte. Schutzschild? Ach, tatsächlich? Glaubte er wirklich, dass sie sich auf so etwas verlassen konnte? Sie lehnte sich an einen großen Steinbrocken und verschränkte die Arme. Wenigstens war diese Aurora vor ihr dran.
Warum bleibst du überhaupt?, fragte eine leise Stimme in ihr. Viv verdrängte sie. Denn, so wurde ihr plötzlich klar, sie wusste die Antwort selbst nicht. Vielleicht, wegen der klitzekleinen Hoffnung, die ihr dies gab?

"Okay, dann wollen wir mal." sagte sie und holte tief Luft und atmete stark aus. Kurz schloss sie ihre Augen um sich zu sammeln. "Ich fange an." meinte sie und ihre Stimme klang ruhig. Dann öffnete sie ihre Augen. Ihre blau-grünen Augen färbten sich langsam schwarz. Ihre Fähigkeit begann. Ein unsichtbarer Nebel rollte auf Timon zu. Erst langsam. Dann umhüllte er ihn. Aber das war noch nicht alles. Wie stark sie war? Okay, das würde sie ihm zeigen. Ihre Fähigkeit wurde stärker, als sie an ihre Vergangenheit dachte. Tote Körper auf dem Boden. Starr aufgerissene Augen gen die Decke gerichtet. Blasse tote Haut. Die Leichen ihrer gesamten Familie. Es war so schrecklich. Und sie hasste sich so sehr dafür. Ihre ganze Wut spiegelte sich gegen sich in ihren Augen wider. Ihr Körper vibrierte eigenartig. Und dann dachte sie an Gabriel. Wie er sie benutzt hatte. Wie er Alysha benutzt hatte. Sie wollte ihn töten. Sich an ihm rächen. Aurora keuchte. Und dann begann Stufe zwei. Auroras Gesicht wurde fahl, blass und kränklich. Ihre Lippen so Rot wie Blut. Was sie wohl für einen Eindruck auf die anderen machte? Bestimmt verachteten sie sie jetzt. Hatten Angst vor ihr, als sie sahen, wozu sie fähig ist. Ihr Selbsthass wurde stärker. Stufe zwei war in vollem Gange. All ihre Opfer hätten jetzt Wunden, starke Wunden und unglaublich starke Schmerzen. Sie weinte. Tränen liefen über ihr Gesicht. Nun war es unmöglich für sie aufzuhören.

Aufmerksam beobachtete Darren Auroras Reaktionen. Wie sie sich konzentrierte. Wie sie sich veränderte und langsam aber sicher die Kontrolle verlor. Sie war eindeutig stark und es kostete sie nicht halb so viel Überwindung ihre Gabe einzusetzen, wie er vermutet hatte. Nun, wer wusste, was sie bisher durchgemacht hatte? Solche Dinge konnten einen menschen verändern, auch innerlich.
Doch es würde auch ihr gut tun, einmal die eigene Gabe vollkommen unbesorgt einsetzen zu können.

Auroras Augen waren so schwarz wie Pech. Konzentriert schaute sie zu dem Zwerg. Er tat nichts. Er starrte sie nur mit seinen großen Augen an. Immer mehr und mehr verlor sie die Kontrolle über sich. Immer mehr Tränen liefen über ihre Wangen und tropften auf dem Boden. Doch keiner schien sich zu krümmen oder ähnliches. Das beruhigte sie. Und dann wurde sie immer schwächer und schwächer. Sie schwankte leicht. Aurora verlor immer mehr Kraft. Sie spürte wie ihr schwindelig wurde. Die einzige Möglichkeit aufzuhören, war, dass sie in Ohnmacht fiel. Und sie stand tatsächlich kurz davor. "Ich... ich kann nicht mehr aufhören." flüsterte sie geschockt. Und dann wurde alles schwarz. Ihr Körper fiel zur Seite und kam auf dem Boden auf. Leblos blieb sie dortliegen. Die augen geschlossen, als würde sie schlafen. Ihre Fähigkeit brach ruckartig ab. Der Nebel zog sich zurück und verschwand.

Der seltsame Druck, der sich immer auf Darrens Ohren legte, wenn Timon seinen Schutzschild auf ihn legte, ebbte im selben Moment ab, als auch Aurora stürzte. Schnell lief Darren los; er hatte befürchtet, dass sie zu viel Kraft verbrauchte, aber er hatte nicht erwartet, dass es so schnell gehen würde.
"Aurora!" Er rüttelte sachte an ihrer Schulter. "Wach auf."
Das Gute an dieser Sorte Ohnmacht war, dass sie keinerlei Schäden anrichtete, es sei denn, man schlug sich den Kopf auf dem Steinboden auf. Und durch die Erschöpfung würde Aurora auch nicht si bald erneut einen Ausraster haben.

Ein Schrei in der Ferne drang durch ihre Bewusstlosigkeit. War es Levin? Vielleicht war es aber auch Darren. Sie wusste es nicht. Ihr Körper fühlte sich unglaublich schwach und zerbrechlich an. Jemand rüttelte an ihrer Schulter. Ganz langsam öffnete sie die Augen. Sie hatten mittlerweile ihre normale Farbe wieder angenommen. "Was ist passiert?" Nur ganz langsam sickerten die Erinnerungen wieder durch. Aurora sah alles noch leicht verschwommen und blinzelte ein paar Mal.

"Du hast dich verausgabt.", erwiderte Darren. "Die Erschöpfung ist völlig normal und mit etwas Schlaf und etwas Essen wird es dir wieder gut gehen. Allerdings wirst du vermutlich in der nächsten Zeit nicht genug Energie für deine Gabe haben, aber ich denke, das stört dich nicht so sehr, oder?" Vorsorglich hatte er etwas zu trinken mitgebracht und reichte ihr nun eine Flasche Wasser aus seiner Tasche.
"Viv? Du bist die nächste." Er sah Vivalie aufmerksam an. Würde sie wieder weglaufen?

"Ja, ich habe mein 'bestes' gegeben. Aber das ist auch nicht schwer, wenn ich an bestimmte Dinge denke." sagte sie mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen. "Damit habe ich allerdings kein Problem. Ich bin sehr froh darüber." erklärte sie ihm. Niemanden den ich verletzen kann, dachte sie glücklich. Dankend nahm sie die Flasche an und trank einige Schlucke daraus. Ihre Kehle fühlte sich trocken und rau an und da kam das Wasser zu genau dem richtigen Zeitpunkt. Sie gab ihm die Flaschen zurück und versuchte sich zu erheben, um nicht in der Ziellinie für Vivalies Fähigkeit zu sein.

Darren half Aurora zurück zu den anderen zu gehen und übergab sie in die Obhut ihres "Freundes". Sie wirkte überraschend glücklich. Einen solch positiven Effekt hatte er gar nicht erwartet, aber vielleicht hatte sich nun einfach etwas von ihrer Anspannung gelöst.
"Vivalie?" Er ging zurück zu ihr und warf ihr einen fragenden Blick zu. "Bist du bereit?"

Viv trat einen Schritt vor, an Darren vorbei, seinen Blick ignorierte sie.
"Ich hasse dich.", zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Bei Aurora schien alles gut gelaufen zu sein, doch das änderte nichts. Wie würde ihre Fähigkeit nicht einsetzten. Niemals. Nie.
Sie wusste nicht einmal, wie das ging! Nie zuvor hatte sie ihre Gabe willentlich eingesetzt und sie hatte auch nie einen Sinn darin gesehen.

Darren wandte die Augen nicht von Vivalie, doch sie erwiderte seinen Blick nicht. Er wünschte sich so sehr, dass sie verstehen würde! Doch ihre Worte waren wie ein Schlag ins Gesicht und er musste sich wirklich beherrschen, um sie ungerührt hinzunehmen.
"Vertrau mir.", war alles, was er noch herausbrachte. "Du musst es versuchen..."
Dann wandte er sich an Timon. "Radius.", sagte er auf Zwergisch. "Und sie ist verdammt stark..." Wenn jetzt etwas schief ging, würde sie ihn immer hassen.

Aurora ließ sich von Darren helfen. Zwar fand sie seine Idee ein wenig eigenartig. Aber sie war froh, dass der Zwerg so mächtig war, dass ihre Fähigkeit niemanden etwas angetan hat. Zum Glück. Alles schien munter und gesund zu sein. Sie lehnte sich an Levin und schaute zu Vivalie. Jetzt war sie dran. Gespannt betrachtete sie sie.

Frustriert strich Viv sich eine vorwitzige Haarsträhne zurück. Er meinte es wohl tatsächlich ernst.
Und was, wenn es wirklich einen Schild gab? Allerdings wirst du vermutlich in der nächsten Zeit nicht genug Energie für deine Gabe haben... das hatte Darren zu Aurora gesagt. Würde das bei jedem von ihnen zutreffen? Bestimmt.
Viv schloss die Augen. Das würde bedeuten, wenn sie sich jetzt auf diesen Schutzschild verließ und ihre Gabe freiließ... wäre sie dann für die nächste Zeit sicher? Es war so unglaublich, sich das vorzustellen. Und Viv begriff, dass sie doch noch immer Hoffnung hatte.
Konnte sie es verantworten, diesem Zwerg zu trauen, den sie nie zuvor gesehen hatte? Von dem sie nichts weiter wusste, als dass Darren ihn kannte? Ging ihr vertrauen so weit?
Viv wusste: Sie konnte es versuchen, oder weiter fliehen. Weiter und weiter, doch sie würde dennoch nirgendwo sicher sein. Sie wusste, dass sich etwas ändern musste, denn sonst hatte ihr Leben im Grunde keinen Sinn...
Sie machte sich auf die Suche. Was war der Schlüssel? Ihre Vergangenheit, ihre Angst. Die Furcht, zu töten. Ihr Albtraum von der letzten Nacht.
Sie wollte nicht, dass jemand starb! Sie wollte nicht, dass alles Gute in ihrem Leben immer und immer wieder verschwand, ausgelöscht von ihr selbst... hatte sie kein Glück verdient, keine Freundschaft, keine Liebe? Wieso ausgerechnet sie? Was hatte das Schicksal davon?
Sie spürte es kommen und bereute es augenblicklich. Sie hatte versucht, ihre Angst und ihr Selbstmitleid heraufzubeschwören, um gleichzeitig ihre Gabe hervorzulocken und jetzt, da es funktioniert hatte, wünschte sie sich stärker, als je zuvor, dass es verschwinden würde. Doch jetzt war es zu spät. Und es gab keinen Weg zurück.
Die Fähigkeit, der Tod, brodelte und zischte in ihr, warf sich wütend gegen den Widerstand, den Viv aufgebaut hatte und zertrümmerte ihn ohne Rücksicht. Wie eine donnernde Welle überschwemmte ihre Fähigkeit den Steinbruch, ließ das wenige Gras verwesen und... krachte gegen eine Mauer. Viv riss die Augen auf.

Levin schlang seine Arme um Aurora, als sie sich an ihn lehnte. "Gut gemacht, Nín Baneth", flüsterte er ins Ohr. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Vivalie.
Ihre Fähigkeit war beeindruckend und er schluckte leicht. Wirkte Auroras Fähigkeit erst mit der Zeit tödlich, war Vivalies augenblicklich wirksam, wie man an dem Gras sah.

Aurora schaute beeindruckt Vivalie zu. Das Gras verweste. Wirklich interessant. Und Aurora bemerkte in dem Augenblick nun, warum Darren sie beide nach vorne gebeten hatte. Wegen ihren Fähigkeiten. Beide waren zerstörerisch. Und irgendwie auch angstbereitend. "Ich weiß nicht, ob ich schon alles gegeben habe." meinte sie leise und schloss erschöpft die Augen.

Atemlos beobachtete Darren Vivalie, gespannt wie eine Feder und gleichzeitig erleichtert, als es zu funktionieren schien. Er würde sich erst wieder entspannen können, wenn es vorbei war. Und er konnte nur hoffen, dass es half. Dass es die Barrikaden, die sich in Vivalies Geist aufgebaut hatten, löste und sie frei machte.

Da. Da war es. Mi hatte es nicht kommen sehen, doch plötzlich fühlte sie es. Es war die Nadel, die den Ballon zum Platzen brachte, doch der Druck entwich nicht sofort; er staute sich weiter an und ließ sie ungläubig darauf starren.
Und dann rannte sie plötzlich, fort von der Klasse, immer weiter und merkte es selbst kaum, bis ihre Füße zu schmerzen begannen. (--> Der Wald)

Ihre Fähigkeit tobte, raste, warf sich immer und immer wieder gegen die unsichtbaren Wälle, die der Zwerg errichtet hatte, denn sie konnte sich nicht wie sonst in alle Richtungen ausbreiten.
Und irgendwann... war es vorbei. Viv ließ sich auf den Boden fallen und holte einmal tief Luft, um sich zu beruhigen. Sie fühlte sich erschöpft, diesmal jedoch mehr körperlich als geistig - vielleicht weil sie dieses Mal darauf vorbereitet gewesen war.
Dann erst bemerkte sie, dass all die Schüler lebten. Sie alle standen oder saßen noch immer in dem Steinbruch. Sie lebten. Viv blinzelte. Was? Vielleicht war es seltsam, aber sie verstand es nicht.

Alysha hasste es zusehen zu müssen und ihrer Freundin nicht beistehen zu können. Aber sie wusste, dass es nicht anders ging. Darren hatte Recht: Um eine Fähigkeit kontrollieren zu lernen, musste man sie anwenden. Um eine Fähigkeit zu beherrschen, durfte man keine Angst vor ihr haben.
Besorgt beobachtete sie das Geschehen und als es augenscheinlich vorbei war, rannte sie los. Sie sagte nichts, sie nahm Viv einfach nur in den Arm.

Pure Erleichterung durchströmte Darren, als es vorbei war. Erleichterung, weil nichts passiert war. Erleichterung, weil Viv ihn nun nicht hassen musste. Er lief zu ihr und fragte: "Alles in Ordnung?" Auch ihr reichte er eine Flasche Wasser und fühlte sich sehr seltsam, weil er nur die Hälfte von dem aussprechen durfte, was er fühlte.