"Ich weiß.", pressste Viv zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Mit spitzen Fingern hob sie den Schlüssel an und rammte ihn in das Schloss der Autotür. Sie zog am Griff und die Tür schwang auf, dennoch machte sie keine Anstalten einzusteigen. Zögend sah sie Darren an.
"Bist du dir sicher..." Das ich das kann?

Auch das Schloss der Beifahrertür war nun entriegelt und Darren öffnete sie und stieg ein. Vivalie zögerte noch immer einzusteigen. Als er ihre Worte hörte, beugte er sich über den Fahrersitz und steckte er den Kopf zu ihrer Tür nach draußen. Er lächelte sie warm und ermutigend an. "Wenn ich sage, ich kann es dir beibringen, dann kannst du es auch lernen. Vertraust du mir?"

"Dir schon.", erwiderte Vivalie und ein warmes Gefühl breitete sich in ihr aus, als sie begriff, das es stimmte - gefolgt von Schock. Das war falsch, ganz falsch. Lernte sie denn nie dazu? Wenn sie ihm etwas antat... Sie hätte es nie so weit kommen lassen dürfen!
Sie schüttelte den Kopf und trat einen Schritt zurück. "Ich kann das nicht, Darren." Ob er ahnte, dass sie nicht mehr nur vom Autofahren sprach?

Darren würde nie offen zugeben, wie viel es ihm bedeutete, dass Viv ihm vertraute. Aber sein Herz geriet einen Moment aus dem Takt, als er ihre Antwort hörte. Er schüttelte leicht den Kopf über den Rest ihrer Antwort und fragte sich, ob es sich wirklich nur aufs Autofahren bezog oder ob sie nicht schon längst über etwas anderes sprachen. "Es geht nicht darum, ob du etwas kannst oder nicht.", entgegnete er. "Es kommt nur darauf an, ob du es willst. Wenn du es nur genug willst und geduldig bist, kannst du alles lernen." Selbst Autofahren. Selbst die Kontrolle über das eigene Leben zu behalten.

Viv hate sich entschieden. Womöglich würde sie es bald bereuen, aber irgendwie schien ihr das alles schon wieder so weit entfernt. Sie wurde leichtsinnig. Nicht gut.
Sie fasste sich ein Herz und stieg ins Auto ein. Das Klicken, als sie die Tür hinter sich schloss, klang in ihren Ohren seltsam endgültig. Jetzt gab es keinen Weg zurück. Steif und angespannt saß sie da und starrte auf das Lenkrad, den Schlüssel drehte sie in ihren Händen. Wieder gab sie sich einen Ruck.
"Was jetzt? Wo muss ich den Schlüssel reinstecken?"

"Hierhin." Darren zeigte es ihr. "Und dann musst du ihn umdrehen und gleichzeitig..." Er begann zu erklären: (Ich führ das nicht weiter aus, ich kann nämlich noch nicht autofahren und möchte nix falsches sagen:D)
Er war gespannt, wie sie sich anstellen würde. Als er das Autofahren gelernt hatte, hatte er zu Anfang ständig den Motor abgewürgt.

(machen wir es einfach so: Anja und ich übernehmen keinerlei Haftung. Wer unsere Anweisungen fürs Autofahren befolgt, hat die Konsiquenzen zu tragen )

Viv steckte den Schlüssel ins passende Schloss und drehte. Der Motor begann ein tuckerndes, spuckendes Geräusch von sich zu geben, das irgendwie nicht ganz so klang, wie es klingen sollte... oder bildete Viv es sich nur ein? Viel hatte sie ja noch gar nicht falsch machen können! Sie löste die Handbremse und wiederstand der Versuchung, Darren um Hilfe zu bitten. Sie legte den Gang ein, den er ihr gezeigt hatte und gab Gas.
Der Motor jaulte auf, wie ein Hund der Schmerzen litt. Etwas knackte und dann - Stille. Viv biss sich auf die Unterlippe. Shit.

"Oh." Darren blickte zunächst überrascht, dann machte er ein betretenes Gesicht. "Das klingt jetzt eher... ungut." Er öffnete die Beifahrertür und stieg aus. "Du musst wissen, er feiert dieses Jahr seinen 15-ten Geburtstag.", gab er leicht verlegen zu. "Er ist nicht mehr ganz der Jüngste." Und wohl auch nicht mehr ganz so fit. Darren klopfte ein paar Mal kräftig auf die Motorhaube. Das hatte schon Wunder gewirkt.
Er stieg wieder ein und schloss die Tür. "Ein neuer Versuch?", fragte er und grinste. "Ich glaub nämlich nicht, dass es grade eben nur an dir lag."

"Wenn du das sagst...", murmelte Viv ein wenig betreten und drehte den Schlüssel zögernd erneut. Wieder ertönte das gequälte Tuckern. Nun, zumindest daran schien sie nicht schuld zu sein. Jetzt wusste sie auch wieder, was sie vergessen hatte: Die Kupplung. Sie versuchte es erneut, diesmal in der richtigen Reihenfolge. Zu ihrem Erstaunen funktionierte es; zumindest blieb der Motor an. Gaspedal? Viv suchte mit dem Fuß danach und der Bus schoss vorwärts. Ruckartig riss Viv ihren Fuß zurück. Das war zu stark! Wo war die Bremse?

"Sachte, sachte.", sagte Darren, durch nichts aus der Ruhe zu bringen. "Nicht vergessen: Gaspedal links, Bremse Mitte und Kupplung rechts. Jetzt würde ich dir übrigens die Bremse empfehlen, sonst könnte es sein, dass wir bald an dem Baum da vorne kleben. Und danach kannst du ganz leicht aufs Gas gehen und nach rechts lenken. Blinker lassen wir erst mal noch weg."

Viv konzentrierte sich auf seine Stimme, seine Worte. Bremse - Mitte. Wieder drückte sie zu fest und das Auto blieb mit einem leisen Knirschen stehen. Dann tippte sie ganz leicht mit dem anderen Fuß auf das Gaspedal und das Auto begann wieder zu rollen.

"Sehr gut.", lobte Darren sie. Wie immer wenn er irgendwas erklärte, war er in seinem Element. "Und jetzt die Rechtskurve." Auf dem Parkplatz konnten sie ungestört üben; niemand sonst fuhr hier gerade. Und das einzige, was sie beschädigen konnten, waren die Autos der anderen. Kein Problem also.

"Ich hoffe du bist versichert.", antwortete Vivalie nur düster, dann drehte sie das Lenkrad nach rechts. Hoffentlich nicht zu stark...
Nein. Überhaupt nicht, das Auto reagierte kaum. Mutiger geworden, ließ Viv das Auto etwas schärfer wenden, wobei sie knapp an einem silbernen Ford vorbeischrammte.

Darren lachte. "Keine Angst, die Karre hat schon Schlimmeres überstanden als einen Fahranfänger. Und du machst dich doch recht gut." Sicherheitshalber waren sie natürlich beide angeschnallt und er hatte seine Axt im Fußraum verstaut, damit sie während der Fahrt nicht durch die Gegend flog.

"Es scheint doch leichter zu sein, als ich dachte.", erwiderte Vivalie mit einer Spur Erleichterung in der Stimme. Was hatte sie befürchtet? Das Auto war kein Monster, es war überhaupt kein Lebewesen. Es war eine Blechkiste, ohne Gehirn. Etwas, von dem sie möglicherweise in der Lage wäre, es zu kontrollieren.
Sie hatte Kontrolle. Über ein Auto.. aber trotzdem. Wie konnte sie andere Dinge kontrollieren, ohne sich selbst unter Kontrolle zu haben? Es schien ihr unmöglich und doch... das Auto bewegte sich ja nach rechts wenn sie es wollte..

"Vielleicht hast du einfach Talent?", schlug Darren ihr vor. "Ich meine, ich hab noch nicht vielen Leuten versucht Autofahren beizubringen, aber du bist schon mal ein besserer Anfänger als ich.", gab er ohne die geringste Verlegenheit zu. "Ich bin an dem Kratzer am linken Kotflügel schuld."
Natürlich hatte Darren Hintergedanken. Er hatte fast immer irgendwelche Hintergedanken, vor allem in Bezug auf seine Schützlinge. Vielleicht würde es ja Vivalie auch ein bisschen Selbstvertrauen einflößen, wenn sie merkte, dass es sehr wohl Dinge gab, die sie lernen konnte.

Nix parkte elegant in einer -eigentlich viel zukleinen- Parklücke und stellte den Motor seines teuren, silbernen Porschens ab. Einen Moment blieb er reglos sitzen, er musterte das Gebäude vorhim. "Das soll meine Zukunft sein?", fragte Nix sich selbst tonlos und starrte auf die Schule. Er hatte lange darüber nach gedacht. Und er wollte seine Endtscheidung nicht selbst anzweifeln. Nix seufzte und schloss das Autofenster, das die frische Morgenluft hineinließ. Es war noch sehr früh, aber er hatte diese Nacht ja sowieso nicht geschlafen. Ein Blick in den Rückspiegel sagte ihm das seine Frisur perfekt saß. Nix angelte noch seine Jacke von dem Beifahrersitz, stopfte sich einen mit Blut gefüllte Flasche in die Tasche und stieg mit der Gewissenheit, das dies ein neuer Anfang war, aus dem Auto. Das gewohnte Gribbeln breitete sich auf seiner Haut auf, als die pralle Sonne auf ihn hinunter schien. Langsam überquerte er den Parkplatz und gelang über einen schmalen Pfand zu den Wohnblöcken.

Vivalie wollte es eigentlich nicht, aber sie musste lächeln.
"Das sagst du doch nur so.", meinte sie und schüttelte den Kopf über sich selbst, dass sie das alles sofort glaubte. Das Lächeln jedoch blieb.

"Gar nicht wahr!", protestierte Darren energisch. "Du hast den Kratzer doch gesehen, oder nicht?" Er grinste sie verschmitzt an. "Der stammt wirklich von mir. Und außerdem würde ich dich niemals anlügen." Halb belustigt, halb ernst sah er Vivalie an. In manchen Momenten konnte er es immer noch nicht fassen, dass sie wirklich wieder hier war.

"Na dann. Wenn du es sagst." Das Gefühl von Leichtigkeit nahm zu. Konnte es tatsächlich... Glück sein? Sie war weit von einer solchen Empfindung entfernt und doch... In diesem Moment schien es keinen Schatten zu geben, der ihr Leben verdunnkelte. Sie hatte das Gefühl, dass es richtig war, was sie tat.

"Klar." Darrens gute Laune konnte ihm heute niemand nehmen. "Sollen wir mal Gefahrenbremsung üben?", fragte er vorwitzig. "Oder lieber erst noch was einfacheres? Wir können auch noch ein bisschen schalten üben."
Natürlich waren beide angeschnallt, darauf hatte Darren gleich am Anfang bestanden. (vorbildlich )

Viv zuckte mit den Schultern, traute sich jedoch nicht die Hände vom Steuer zu nehmen.
"Was immer du sagst.", erwiderte sie mit einem leisen Lächeln. "Ich hab ja sowieso keine Ahnung."
Vivalie ließ das Auto einen kleinen Kreis fahren und ihr Lächeln wurde breiter. Es machte... Spaß. Wirklich Spaß.

"Besser Schalten.", sagte Darren und zeigte ihr, wie sie mit dem Schaltknüppel umgehen musste. "Automatik hab ich leider nicht. Dafür ist das Auto zu antiquiert." Er grinste.

"Hm.", machte Viv bloß, während sich ihre Hand um den Steuerknüppel schloss. Beim Schalten wurde sie wirklich unsicher. Welchen Gang sollte sie einlegen? Was, wenn die Innereien des Autos wieder seltsame Geräusche von sich gaben?

"Warte mal.", sagte Darren leise. "Du brauchst ein bisschen Gefühl. Jedes Auto ist da anders." Behutsam legte er seine Hand auf ihre und schob den Schaltknüppel in die richtige Richtung. "Spürst du, was ich meine?", fragte er. Ihre Hand fühlte sich klein und verletzlich unter seiner an, ungewohnt und zudem noch kalt. Darren hatte immer warme Hände. Aber es war ihm nicht unangenehm, er fürchtete nur, dass das schon zu viel war.