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Aurora und Levin betraten den Essenssaal, der vollkommen leer war. Sie löste ihre Hand von seiner und füllte sich etwas auf einen weißen Teller. Dann kehrte sie zurück. "Wo wollen wir uns hinsetzen?"

Auch Levin nahm sich etwas zu essen. Er sah sich um und steuerte dann zielstrebig auf einen Platz in der Nähe der Fenster zu.
Der Elb stellte seinen Teller ab, setzte sich und wartete auf Aurora.

Aurora schlenderte zum Platz am Fenster hin, wo Levin bereits saß. Sie setzte sich direkt vor ihm, damit sie, falls sie miteinander sprach, was sie sicherlich auch tun würden, ihm ins Gesicht schauen könnte. "Guten Appetit." sagte sie fröhlich.

"Gleichfalls", wünschte er ihr und griff nach seiner Gabel. Langsam begann er zu essen, sein Blick fiel immer wieder auf Aurora.
Merkwürdig. Als er hier angekommen war, hatte er nur eines im Sinn gehabt: Rache. Und jetzt?

Aurora griff ebenfalls zu Gabel und Messer und sie begann zu essen. Dass Levin ihr immer wieder Blicke zu warf, machte sie sichtlich nervös.
Sie war es nicht gewohnt, dass man ihr so viel Beachtung schenkte. Ließ sich aber nichts deswegen anmerken.

Levins Blick schweifte umher, er sah aus dem Fenster. Die Bäume draußen wiegten sich leicht im Wind.
Der Ausdruck in seinen Augen wurde beinahe verträumt. Früher hatte seine Mutter ihn immer mit in den Wald genommen,
weit weg von der Zivilisation. Stundenlang hatte er sich ausgetobt, mit seinen Kräften gespielt. Er sah ihr Gesicht vor sich,
wie sie ihm zusah, ihre Augen voller Liebe.

Levin schien in einer anderen Welt zu schweben. Vielleicht in seiner Vergangenheit. Vielleicht erinnerte er sich an schöne Momente. Sie selbst dachte auch an ihre Vergangenheit. Hatte sie schon einmal schöne Momente als Kind erlebt? Vielleicht, kurz bevor man ihre Fähigkeit entdeckte. Sie war sich nicht sicher. Aber es war auch egal. Nun würde sie niemanden mehr verletzen. Gabriel achtete jetzt darauf. Wenn er nur nicht so nervtötend wäre, dann wäre der Vertrag erträglich gewesen.

Die schönen Momente der Vergangenheit verschwanden so schnell wie sie gekommen waren und Levin blinzelte.
Er drehte sich wieder zu Aurora, sah sie einfach nur an. Sie schien nachdenklich, er fragte sich was sie wohl dachte.
Zwar konnte er mit dem ihm als Elb angeborenen 'sechsten Sinn' die Gefühle anderer gut erspüren, aber nicht ihre Gedanken.

Dass Levin sie anstarrte, bemerkte sie nicht. So sehr war sie in ihre eigenen Gedanken vertieft.
Erst später erwachte sie aus ihrer Trance und errötete schlagartig. "Oh, tut mir Leid." entschuldigte sie sich.

Levin winkte ab. Das war doch nicht schlimm. Jeder war einmal abgelenkt-er selbst ja auch.
Ohne es zu merken fuhr seine Hand zu seinen langen Haaren, er drehte eine Strähne um seinen Finger.

Aurora war erleichtert. Als LEvin sich eine Haarsträhne um den Finger wickelte, fand sie das unheimlich süß
und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Schnell aß sie weiter.

Levin bemerkte ihre Grinsen, fragend zog er eine Augenbraue hoch. Sein Blick fiel auf seinen Finger und er stutzte kurz, bevor er ihn von seinem Haar befreite. Was zum-? Das hatte er zuletzt gemacht als er ein angehender Teenager gewesen war.

Aurora lachte. "Das sah putzig aus." Es sollte nicht spöttisch klingen. Ganz im Gegenteil...
"Du hättest ja nicht damit aufhören müssen." meinte sie lächelnd. "Es ist nur ein wenig ungewöhnlich, dass ein Junge das macht." erklärte sie ihm ruhig.

Putzig? Seine Augenbraue ruckte ein wenig höher. "Ungewöhnlich stimmt vermutlich. Es ist eine alte Angewohnheit", meinte er und zuckte mit den Schultern. Die langen Haarsträhnen begleiteten die Bewegung.

"Ja, solche Angewohnheiten kenne ich." meinte Aurora grinsend. Sie hatte so gute Laune, dass sie am liebsten gesungen und getanzt hätte. Aber das wäre sicherlich ein wenig ungewöhnlich rübergekommen.

Levin musterte Aurora und verglich sie mit der Aurora aus dem Wald. Eindeutig hatte sich ihre Laune extrem verbessert, sie strahlte Glücksgefühle aus. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er sie so ansah. Was für ein Unterschied zu vorhin...

Aurora strahlte ihn an. Er lächelte sie an und dies machte sie glücklich. Nun war sie nicht mehr alleine und Hoffnung, dass alles noch gut gehen würde, schlich sich in ihre Gedanken.

Zwar genoss Levin die gute Stimmung, doch er war sich bewusst, dass diese nicht ewig anhalten würde.
Er sah die aufkeimende Hoffnung in ihren Augen und fragte sich ob wie er es aushalten sollte, wenn diese Hoffnung zerbrach. Noch nie hatte er Gefallen daran gefunden Menschen zu zerstören-zumindest keine Frauen.

Aurora schaute Levin an. "An was denkst du?" fragte sie ihn neugierig.

"Es sind düstere Gedanken", beantwortete er ihre Frage. Seine blauen Augen blickten sie direkt an.
"Nichts was man hören möchte"

Auroras Mundwinkel zogen sich nach unten. "Oh, okay." sagte sie langsam.
Düsterte Gedanken? Sie wollte gar nicht wissen, was Levin dachte. Leise zitierte sie: "Die beste Art sich zu rächen ist: Nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten." Denn sie wusste, böse Gedanken hatten meist etwas mit Rache zu tun.

Nicht Gleiches mit Gleichem vergelten...Levin versank in Gedanken. Damals, hatte er diesen Mann umgebracht, der seine Mutter getötet hatte. Hatte er da nicht Gleiches mit Gleichem vergolten?
Auge um Auge, Zahn um Zahn? Doch wenn er daran dachte spürte er keine Reue. Nur..Genugtuung.
Darüber dass dieser Mann tot war. Leben für Leben.

Wieder versank Levin in Gedanken. Das merkte Aurora immer dann, wenn seine Augen leer waren. Verträumt.
Sie presste leicht ihre Lippen aufeinander und schaute aus dem Fenster. Die klare Mittagssonne stand über dem Horizont und erwärmte die Erde. Draußen war es warm und eine leichte Brise ließ das saftige Gras tanzen.

Alysha betrat den Esssaal. Sie wusste nicht, ob der Engel direkt hinter ihr war, aber sie rechnete damit. Sie sah Aurora, doch sie rannte nicht zuerst zu Aurora, um ihr die Neuigkeiten zu erzählen. Zuerst wollte sie wissen, ob Gabriel sein Wort hielt. Es würde Aurora nur noch mehr weh tun, wenn ihre Hoffnungen sich nicht erfüllten.
Alysha nahm sich einen Teller und füllte Essen hinein. Ausnahmsweise einmal verspürte sie wirklich Hunger. Sie setzte sich nicht zu Aurora und dem jungen Mann, der bei ihr war, sondern allein an einen Tisch. So wie es sich gehörte...