Warum tust du das hier dann? Warum suchst du nicht lieber nach einem Jungen, der mit dir tanzen kann, der dich nicht bei jeder Gelegenheit wütend macht oder gar zum Weinen bringt?
"Wie auch immer.", murmelte Kay. Er würde ihren Dickschädel ohnehin nicht bezwingen. Zeit für einen Themenwechsel...
"Und? Was sagt deine Familie dazu, dass du diese Schule besuchst?" Sie mussten Penny doch bestimmt vermissen.

("Er würde ihren Dickschädel ohnehin nicht bezwingen" Gut erkannt )

"Meine Mutter war der Ansicht es könnte nicht schaden wenn ich nicht mehr von Wolken herunterfalle oder spontane Regenduschen entstehen lasse und außerdem sollte ich die Welt kennenlernen. Sie vermisst mich sicher, aber ich bin ja nicht ewig fort. Manchmal würde ich sie gerne hier haben um mit ihr zu sprechen. Dann wäre da Cathy, meine kleine Schwester. Sie zurück zu lassen war erheblich schwieriger, sie hat auch nicht verstanden wieso ich gehe. Sie ist mein ein und alles"
Penny lächelte sanft, als sie an Cathy dachte. Ein kleiner Wirbelwind der immer in Bewegung war und unheimlich direkt. Sie konnte Leute mit ihrer Art ziemlich vor den Kopf stoßen und sie nur einen Moment später mit ihrem unschuldigen Blick und dem Engelsgesicht in ihren Bann ziehen. Sie schüttelte leicht den Kopf um die Erinnerungen zu vertreiben, denn bei dem Gedanken an ihre kleine Schwester spürte sie schmerzhafte Sehnsucht in sich aufsteigen.
"Ansonsten wären da nur noch meine Tanten. Die beiden sind ziemlich schräg drauf, aber liebenswürdig. Sie waren begeistert von der Idee auf diese Schule zu gehen, aber frag mich nicht wieso" Sie wurde rot wenn sie an die beiden dachte. Sofort als sie ihnen von ihren Plänen erzählte, hatten sie Penny mit Ratschlägen zum Thema Männer überschüttet, anscheinend völlig überzeugt davon, dass dies von größter Wichtigkeit war. Nun, es hatte Penny wenig genutzt, wenn sie ihre Situation so betrachtete.

Wenn Penny von ihrer Familie sprach, sah sie so glücklich aus... "Kein Vater?", hakte Kay neugierig nach. In der Tat, sie hatte nur Frauen erwähnt. Er hoffte, dass er kein unangenehmes Thema angeschnitten hatte. Womöglich war ihr Vater abgehauen oder gestorben.
Von Wolken herunter fallen... Kay hatte nicht gewusst, dass sie überhaupt auf Wolken reiten konnte, aber plötzlich machte er sich Sorgen, was ihr zustoßen könnte, sollte sie einmal aus großer Höhe fallen. Ihre Gabe richtete sich wohl nicht gegen andere. Nur gegen sich selbst. Das passte.
Kay seufzte unhörbar. Er brauchte sich nichts einzureden. Die größte Gefahr, die derzeit auf Penny lauerte, war er selbst.

Penny zuckte die Schultern. "Ich habe ihn nie kennengelernt. In Thiva, meiner Heimatstadt, herrscht abgesehen von einem Tag im Jahr Männerverbot. Er hat uns nie besucht. Meine Mutter sagt er war ein Mann, den man nicht festhalten kann. Er wäre unglücklich gewesen, hätte sie ihn dazu gezwungen." Sie sah Kay nachdenklich an "Manchmal hätte ich ihn gerne gekannt. Wer er wirklich war und was es war, das meine Mutter dazu gebracht hat sich in ihn zu verlieben. Aber ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt"
Es kam vor, dass sie im Schlaf Bilder vor Augen hatte, von einem Mann, der warm auf sie herablächelte, eine dunkle, aber angenehme Stimme hörte. Doch das waren keine wahren Erinnerungen, oder? Er hatte sie doch nie gesehen.

"Ich kann es mir gar nicht vorstellen, meinen Vater nicht zu kennen.", sagte Kay nachdenklich. Nikolias war eine so dominante Person, dass man ihn einfach kennen musste. Als Anführer des Amusansstamm von Symiij hatte ihn einfach jeder gekannt. Und als eine so wichtige Person hatte er es sich einfach nicht erlauben können einen solchen Sohn zu haben...
"Männerverbot?", wechselte Kay schnell das Thema und grinste amüsiert. "Der wievielte Junge, den du je in deinem Leben getroffen hast, bin ich?"

Penny lachte und zählte im Geiste nach. "Der...7., wenn man Darren miteinrechnet", meinte sie dann.
"Ich bin nur ein einziges Mal auf dem Fest an dem Tag gewesen, andem Männer bei uns erlaubt sind und das hat mich nicht wirklich beeindruckt" Sie dachte daran zurück und verdrehte die Augen. Wie sie alle versucht hatten sie für sich zu gewinnen...schließlich hatte ihre Familie eine relativ hohe Position und somit war sie begehrt. Aber das scherte sie keinen Deut. Was sie wollte war jemand dem sie als Person etwas bedeutete und nicht als Trophäe.

Nur... sieben?
"Die Männer, die freiwillig in eine reine Frauenstadt kommen, sind ja auch wahnsinnig.", scherzte Kay. "Kein Wunder, dass da nichts für dich dabei war..." Er fragte sich, was er getan hätte, wenn sie schon einen Freund gehabt hätte. Hätte er sich für sie gefreut? Hätte er eingesehen, dass es für sie das Beste war? Hätte sie sich überhaupt für ihn interessiert?

Es war viel angenehmer wenn er Scherze machte, als diese Angespanntheit die meistens herrschte, befand Penny. Er entlockte ihr ein weiteres Lachen. "Oh es scheint aber genug einigermaßen Vernünftige zu geben, ansonsten wären wir schon ausgestorben", bemerkte sie. "Andererseits, wenn ich mir meine Tanten betrachte, ist es vielleicht besser für die armen Kerle, dass sie so selten die Stadt besuchen dürfen"
Sie musterte ihn und fragte sich was er wohl dachte. Sieben Jungen...in dieser Welt war das wenig, wie sie inzwischen erfahren hatte.

"Wie sind denn deine Tanten so?", fragte Kay neugierig. Es war angenehm einfach nur Penny erzählen zu lassen, mehr über sie und ihre Herkunft zu erfahren, anstatt ständig aufpassen zu müssen, was man sagte. Und zumeist stellte sie keine Gegenfragen - noch besser. Normalerweise war er nicht der Typ, der viele Fragen stellte; allein schon, weil er selbst keine gestellt bekommen wollte. Aber Penny schien es nicht zu stören.

Penny hob eine Augenbraue "Ein wenig...exzentrisch, um es gemäßigt auszudrücken. Sie sind Zwillinge, man trifft sie nur im Doppelpack an. Manchmal sind sie ein wenig unheimlich, sie sprechen immer synchron und haben eine Vorliebe für ausgefallene Kleidung"
Sie lächelte warm, als sie an Mirrell und Faye dachte. Auch wenn sie seltsam waren, so waren sie doch ihre Tanten und noch dazu in der Lage sie stets aufzubauen mit ihren Geschichten und spontanen Aktionen. "Sie sind immer unterwegs, können nie stillhalten. Ich habe sie nicht einmal niedergeschlagen gesehen. Und leider haben sie einen ziemlichen Männerverschleiß..ich kenne sieben, sie wohl eher an die siebenhundert. Es wundert mich dass noch welche übrig sind", schmunzelte sie. "Aber trotz allem sind sie die besten Tanten die man sich wünschen kann. Sie sind die Ersten die sich für mich einsetzen und die Letzten die aufgeben"

"Zwillinge..." Ein stilles Lächeln schlich sich auf Kays Gesicht. "Meine Schwestern sind auch Zwillinge.", sagte er gedankenversunken. Sie hatten immer versucht synchron zu sprechen, aber irgendwie hatte es nie so geklappt, wie sie wollten. Und wenn er sie dann spaßeshalber ausgelacht hatte, waren sie auf ihn losgegangen und das Ganze endete in einer Rangelei auf dem Küchenfußboden, bis ihre Mutter genug hatte und sie allesamt schwimmen schickte...

Penny nahm dieses Stück aus Kays Vergangenheit neugierig in sich auf. Er sprach kaum von sich und da er bisher durchgehend schlecht darauf reagiert hatte wenn sie ihn danach fragte, hatte sie es lieber gelassen.
Ganz in Gedanken versunken und mit diesem Lächeln sah er gänzlich anders aus als sonst. Weicher, verletzlicher, aber zugleich auch stärker. Es war als ob sie einen kurzen Blick auf den anderen Kay werfen durfte, der im Augenblick so selten zum Vorschein kam. "Du vermisst sie?", fragte sie sanft, vorsichtig, denn sie wollte nicht, dass er sich wieder zurückzog und eine Mauer aufbaute.

"Manchmal.", sagte Kay unbestimmt. Immer. Jede Sekunde. Doch das spielte keine Rolle. "Mirja und Silja sind erst zehn...", führte er nachdenklich aus. "Immer voller Energie. Man hat keine ruhige Minute mit ihnen." Und das war genau das, was er an ihnen mochte. "Mein Bruder Jino ist anders. Er denkt zu viel nach..." Jino hatte die Situation viel besser verstanden. Jino hatte seinen Bruder viel schneller hassen gelernt.

Ruhig hörte Penny ihm zu. Wenn man zwischen den Zeilen las konnte man viel erkennen. Er mochte seine Schwestern. Doch wenn er von seinem Bruder sprach war da etwas in seiner Stimme, was sie nicht recht deuten konnte. Sie dachte an seine Worte im Garten 'Sie haben ihre Entscheidungen getroffen und ich kann sie verstehen. Deshalb füge ich mich' War es möglich, dass die Gedanken seines Bruders zu einer der Entscheidungen geführt hatten, denen Kay sich fügte? Ihr Blick glitt über sein Gesicht und eine leise Erkenntnis bahnte sich an. Er hatte gesagt er hätte ein angespanntes Verhältnis zu seiner Familie...und... Kay schien sich selbst zu hassen für das was er war. Was wenn das auch für seinen Bruder galt?
Der Gedanke machte ihr zu schaffen. "Geschwisterbande sind die stärksten die es gibt", sagte sie leise "aber leider können auch sie angegriffen werden. Gerade durch zu viel Nachdenken. Unsere Schwestern, Brüder sind wie sie sind und wir können sie dafür lieben oder hassen, aber sie bleiben unsere Geschwister"

"Das ist wahr...", sagte Kay und wandte sich ab. Und manche von ihnen entschieden sich, mich zu hassen... Starr richtete er seinen Blick aus dem Fenster. "Ich sollte froh sein, dass Jino überhaupt noch nachdenkt, bevor er etwas tut."

Penny drückte sanft seine Hand "Manchmal", sagte sie "kommen wir durch nachdenken auf die vernünftigsten Lösungen. Das sind aber selten die, die wir uns insgeheim wünschen. 'Die beste Lösung für alle Beteiligten' ist ein Mythos. Sowas exisitiert nicht" Es galt immer eine Wahl zu machen. Und manchmal musste man alle Vernunft beiseite lassen und den Gefühlen die Oberhand lassen.

Kay schwieg. Wenn Penny wüsste, wie sehr sie ins Schwarze getroffen hatte. "Die beste Lösung für alle Beteiligten ist die, bei der es keine Toten gibt.", sagte er unbewegt. "Wie wäre es mit dieser Definition?"

Penny schüttelte den Kopf und lächelte traurig "Das ist die Definition die du gewählt hast"
Niemand wollte Tote, schon gar nicht die eigene Familie. Aber was stattdessen folgte, war unendliche Traurigkeit und Einsamkeit, wenn man sie verließ um sie zu schützen.

"Nein.", sagte Kay tonlos und schüttelte den Kopf. "Das ist die Definition, die ich gelehrt wurde." Er starrte weiterhin aus dem Fenster und sah, dass sich draußen ein Grüppchen von Ballbesuchern versammelt hatte. "Es soll ein Feuerwerk geben.", sagte er gedankenverloren.

Penny wollte etwas sagen, aber sie wusste nicht was, so umschloss sie nur sanft seine Hand mit ihrer und zog ihn hoch. Ihre Augen leuchteten auf als er ein Feuerwerk erwähnte. "Komm", bat sie ihn und lief mit ihm im Schlepptau los. Sie warf über die Schulter einen Blick zu ihm "Feuerwerke bringen einen auf andere Gedanken. Es ist zu laut um nachdenken zu können"

Kay kommentierte Pennys Worte nicht. Er ließ sich einfach mitziehen, während er sich fragte, ob andere Gedanken denn besser waren. Super. Penny hatte nur die Wahl zwischen dem arroganten und dem depressiven Kay. Musste wohl wirklich Spaß machen. (-->Feuerwerksplatz)