Hier können sich die Schüler und natürlich auch die Lehrer ausruhen und sich miteinander unterhalten. Die Sitzecke befindet sich unweit von der Tanzfläche, sodass man einen guten Ausblick auf die Tanzenden hat.

Dort angekommen setzte sich Kay auf einen der gemütlichen Sessel, jedoch ohne seine Haltung auch nur ein bisschen zu entspannen. Er wusste, schon jetzt verstieß er wieder gegen seine eigenen Prinzipien. So schwach war sein Wille.
Hätte er diesen einen Tanz einfach durchgezogen und wäre dann zu Ayannah zurückgekehrt, hätte Penny ihm vielleicht sogar geglaubt.

Penny erreichte die Sitzecke. Sie warf Kay nur einen kurzen Blick zu, bevor sie sich in einen gegenüberliegenden Sessel fallen ließ und einen Schluck aus ihrem Glas nahm. Der bittere Geschmack betäubte ihre Sinne und ließ sie beinahe lächeln.

Seltsam. Da saßen sie nun und schwiegen sich an. Kay wusste, dabei hätte es bleiben sollen. Jedoch wusste er eine ganze Menge und es hatte ihm noch nie etwas genützt.
"Was ist das?", fragte er, musterte das grünliche Getränk und kniff die Augenbrauen zusammen. Er kannte es nicht; es hätte genauso gut Gift sein können, oder etwas Hochprozentiges.

"Trollsirup", war ihre Antwort. "Mal probieren?" Sie bot ihm das Glas an, ein schelmisches Funkeln in den Augen. Ob er es auch mögen würde, so wie Usui, oder ob er es fluchend ausspucken würde? Obwohl, vermutlich würde er es nicht einmal probieren.

Kay nahm das Glas entgegen und beäugte es misstrauisch. Dann probierte er einen Schluck. Er verzog keine Miene; schließlich war er ein Mann.
"Furchtbar.", war sein einziger Kommentar, als er das Glas zurückgab, sich fragend, was er wohl ohne Handschuhe gemacht hätte.

Interessant. Also waren sie und Usui eher die Ausnahme. Sie nahm das Glas zurück, drehte es in ihren Händen. "Wirklich? Also ich finde" Sie pausierte und nahm einen Schluck " Es ist lecker", fügte sie hinzu.
Sie wusste nicht genau warum sie so vergnügt war, wo sie doch eigentlich eine alles andere als entspannte Situation hier hatten.

"Ich finde", Kay legte ebenfalls eine Pause ein, "es schmeckt, als hätte es schon einmal jemand getrunken und dann wieder hochgewürgt."
Die Andeutung eines Lächeln schlich sich in sein Gesicht, als er sah, dass Penny offenbar nicht von ihrer guten Laune eingebüßt hatte. Sie war unverbesserlich.
Und er offenbar auch, denn sonst würde er nicht schon wieder hier mit ihr sitzen.

Penny nahm das vage Lächeln in seinem Gesicht wahr und ihre Mundwinkel zogen sich nach oben.
"Wer weiß? Ich hab leider verpasst zu fragen wie es hergestellt wird" Die Vorstellung die Kay mit seinen Worten heraufbeschwor, war zwar widerlich, aber sie wagte zu bezweifeln, dass Darren sie so etwas hätte trinken lassen. Zumindest hoffte sie es.

"Das war vermutlich ein Fehler." Kay zog eine Augenbraue hoch. Genau wie die Tatsache, dass sie sich ihn ausgesucht hatte...
"Ich verstehe es immer noch nicht." Er legte die Stirn in Falten, als versuche er angestrengt eine wichtige Erkenntnis zu gewinnen, und merkte nicht einmal, wie abrupt er das Thema gewechselt hatte.
"Ein kaputtes Starkstromkabel, das so aussieht wie ich, würdest du doch auch nicht anfassen, oder?" Er deutete auf seinen Hals, wo man immer noch den Strom fließen sehen konnte. "Warum also ich?" Er schloss die Augen und seine gequälte Miene entspannte sich etwas. Warum musste sie einen Raum betreten, auf dessen Tür ganz groß Hochspannung stand?

Penny betrachtete seine feinen Gesichtszüge, die erst jetzt ein wenig entspannt wirkten. Sie dachte lange nach, bevor sie sprach "Ich sehe dich nicht so. Was ich sehe ist die Person dahinter. Einfach nur Kay. Mit Ecken und Kanten, aber ist es nicht das was jemanden ausmacht? Das niemand perfekt ist?" Sie sah kurz zu Boden und als sie wieder aufsah, war ihr Gesicht ernst und doch sanft. "Und ich würde das Kabel anfassen, vorsichtig versuchen es irgendwie zu flicken. Es würde Stromschläge austeilen und ich weiß wie das enden kann. Aber es besteht die Chance am Ende mit einem geflickten Kabel dazustehen. Es würde nie wieder so sein wie früher, aber es wäre nicht länger kaputt" War das jetzt zu utopisch gewesen? Sie hoffte die richtigen Worte gefunden zu haben, denn sie wollte nicht, das Kay sie missverstand.

Kay Augenlider zuckten, aber er hob sie nicht. "Du gibst mir das Gefühl etwas Besonderes zu sein.", sagte er leise und klang gequält. "Aber das bin ich nicht. Vielleicht solltest du dir deine Mühe für jemanden aufsparen, der sie verdient hat. Vielleicht sind manche Kabel einfach nicht mehr zu reparieren?"
Er dachte an seinen Vater, an den Abend, nachdem er seine "Gabe" entdeckt hatte. Er hatte seine Eltern nicht belauschen wollen; es war mehr ein Zufall gewesen. Wie seine Mutter geweint hatte und sein Vater sie in seine Arme schloss. Wie Nikolias' Gesichtszüge hart wie Stein wurden und er ihr etwas versprach: Wenn ich jemals diejenigen finde, die meinen Sohn zu einem Monster gemacht haben, dann bringe ich sie um.
Kay glaubte nicht, dass es einen "Schuldigen" gab. Das Monster hatte schon immer in ihm geschlummert und gewartet...

"Sollte man es deshalb nicht einmal versuchen?", fragte sie leise. "Du bist jemand besonderes und du bist mir die Mühe wert. Wenn du sie nicht verdienst, wer dann? Ich kümmere mich um diejenige die mir wichtig sind und das bist du, ob es dir nun gefällt oder nicht" Sie hörte die Qual in seiner Stimme "Und...es gibt noch andere, denen du wichtig bist, oder? Deine Familie?" Das war heikles Thema, aber sie wagte nun es anzusprechen.

"Meine Familie", hörte Kay sich mit tödlich ruhiger Stimme sagen, "hat mich längst aufgegeben. Du solltest das gleiche tun." Vielleicht war sie es ja. Diejenige, die ihn retten konnte. Irgendwie. Doch welchen Preis würde sie dafür zahlen?
Er war so froh, dass er seine Augen geschlossen hatte, denn sie verrieten Penny viel zu viel über ihn. "Du wirst noch viele andere finden, die deine Mühe wert sind. Die sie tausendmal mehr verdienen als ich. Und du wirst sie retten..." Er presste die Augenlider fest zusammen, fühlte dennoch das leise Flüstern der Elektrizität auf seiner Haut.
"Nur nicht mich."

Langsam, vorsichtig, streckte Penny die Hand aus und berührte seine, durch den Handschuh geschützte.
"Vielleicht...kann ich dich ja nicht aufgeben? Vielleicht will ich gerade dich retten, so unvernünftig es dir erscheint?" Etwas in ihr verhinderte dass sie dieses Himmelfahrtskommando abbrach. "Ich bin schlichtweg nicht der Typ um einfach aufzugeben. Jeder hat das Recht darauf gerettet zu werden, du nicht weniger als andere. Es wird mich vermutlich eines Tages einmal umbringen, diese Sturköpfigkeit in dem Punkt, aber bis dahin "spiele ich den barmherzigen Engel", weißt du noch?"

Langsam schüttelte Kay den Kopf, wie um seine Worte vom vergangenen Tag rückgängig zu machen. "Genau genommen war das ein Kompliment.", murmelte er undeutlich.
Da spürte er plötzlich eine Berührung und öffnete die Augen. Die Wärme ihrer Hand war selbst durch den Stoff zu spüren. Er löste sich aus seiner unbequemen Position und ganz sanft schlossen sich seine Finger um ihre, als fürchte er, sie könnten zerbrechen.
Sie hatte eine Brücke zu ihm geschaffen und vielleicht, nur vielleicht, war diese so standfest, dass er darüber gehen konnte.
Kay hob den Blick wieder und sah in Pennys Augen. Ihm stockte der Atem. "Du bist wunderschön."

Sie spürte seine Finger um ihre, ein vertrautes und doch neues Gefühl. Ihre Blicke trafen sich. Seine nächsten Worte ließen ihr Herz kurz aussetzen, bevor es schnell, beinahe rasend weiterschlug. Penny senkte den Kopf, ein leichter Rotschimmer legte sich auf ihre Wangen. Er hatte sie wunderschön genannt. Erstaunlich, beinahe lächerlich, was drei Worte auslösen konnten. Als sie wieder aufsah, schien sie von innen heraus zu strahlen. Das hier war real. Keine Traum, keine Seifenblase die gleich zerplatzen könnte. War es nicht jeden Schmerz wert? Ein Lächeln eroberte ihre Züge "Nicht mehr als du es bist"

Kay grinste leicht verlegen. "Vermutlich denkst du das nur, weil du eine Brille brauchst." Er wusste, dass er gut aussah - oder eher ausgesehen hatte, bevor blaue Blitze über seine Haut zuckten, aber dennoch konnte er Penny nicht ernst nehmen.
In diesem Moment fühlte er sich wohl. Einfach nur glücklich, weil er Penny zum Lächeln und nicht zum Weinen gebracht hatte. Sollten seine Eltern ihn doch Monster nennen! Was kümmerte es ihn, wenn doch Penny ihn mochte?

Penny sah wie wohl er sich zu fühlen schien und das machte sie mehr als glücklich. Als er sie darauf hinwies, dass sie vermutlich eine Brille brauchte, lacht sie leise.
Sie beugte sich zu ihm vor, den Kopf schräggelegt und kniff die Augen ein wenig zusammen. "Jetzt wo du es sagst...ist ein bisschen schwer dich von deinem Zwillingsbruder da neben dir zu unterscheiden, ihr wackelt so" In ihren Augen blitzte der Schalk.

"Also doch Alkohol in deinem Trollsirup.", mutmaßte Kay und blickte Penny tadelnd an. "Also wirklich! Von dir hätte ich echt erwartet, dass du dich auf einem Ball anständig benimmst." Er grinste, jedoch wich er um eine Winzigkeit zurück, als sie sich auch ihn zubewegte. Kay konnte nichts dafür - es war ein antrainierter Reflex.

Penny blieb wo sie war, auch wenn er zurückwich. Es versetzte ihr einen winzigen Stich, doch sie rief sich in Erinnerung, dass es bei ihm wohl schon zum Reflex geworden war. Sie war nun beinahe spielerisch gelaunt, was sie auch zeigte. In feinster Hundeblickmanier sah sie ihn an. "Das habe ich ja, wer kann denn ahnen, dass Darren unschuldigen Schülerinnen Alkohol gibt?"

"Vielleicht verträgst du das Zeug einfach nicht?", gab Kay leicht spöttisch zurück. Als ob irgendeiner der Lehrer hier so verantwortungslos wäre, dachte er zynisch. Es war allein schon verantwortungslos ihn frei herumlaufen zu lassen.
"Darren trinkt das ernsthaft???" Er dachte an dem widerlichen Geschmack der grünen Flüssigkeit und schauderte. Er hatte schon im Unterricht vermutet, dass der Mann nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte - jeder, der hier freiwillig unterrichtete, konnte nicht ganz normal im Kopf sein - aber dass sich das auch auf seine Ernährungsgewohnheiten übertrug?

Penny sah auf ihr Glas mit der giftgrünen Flüssigkeit hinab und nickte "Ja, er hat es mir empfohlen und war ziemlich begeistert als ich es nicht wieder ausgespuckt habe. Es schmeckt ja scheinbar nicht vielen" Sie warf ihm einen Blick zu. "Bisher nur mir und Usui"
Sie war sich einen Augenblick lang unsicher ob es so klug war Usui zu erwähnen, aber dann verwarf sie den Gedanken wieder. Was war denn dabei?

Kays Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, doch er schluckte den bissigen Kommentar, der ihm auf der Zunge lag, herunter. "Geschmacksverirrung.", sagte er nur. In jeder Hinsicht. Verdammte Eifersucht!
Er wandte den Blick ab und sah aus dem Fenster. Versuchte, seine plötzliche Anspannung loszuwerden, doch es gelang ihm nicht. Er drückte Pennys Hand, nur ganz leicht. "Du weißt, dass es nicht halten wird.", sagte er und klang kühler als beabsichtigt. Das hier konnte die Zeit nicht überstehen. Es würde nicht einmal die Nacht überdauern. Und das jetzt schon zu wissen machte es schmerzvoller und nur noch unfairer Penny gegenüber.

Anscheinend war es doch ein Fehler gewesen Usui zu erwähnen und sie bedauerte es bereits wieder.
Ihre Stimme war ruhig als sie ihm antwortete "Ich wusste es von Anfang an"
Sie war sich stets bewusst gewesen auf was sie sich einließ. Auch wenn er es ihr nicht geglaubt hatte, gedacht hatte, sie wäre sich nicht darüber im Klaren. Penny wusste, dass das hier zerbrechen würde, dass es sie mehr verletzen würde als alles andere bisher in ihrem Leben. Aber es kümmerte sie nicht. So tief sie fallen würde, so hoch stieg sie in den wenigen lichten Augenblicken. Denn irgendwo, ganz tief in ihrem Inneren flackerte ein kleines Licht der Hoffnung.