"Warum bezweifelst du es?" Nun verschrenkte Aurora ihre Arme und schaute ihn herausfordernd an.

Langsam ging Levin auf sie zu, blieb vor ihr stehen und hob seine Hand. Er strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Weil..", begann er "du wunderschön bist, stolz und zerbrechlich zugleich und mich faszinierst"

Aurora hielt die Luft an, als er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich. Mit seinen Worten hatte sie nicht gerechnet.
Sichtlich erstaunt schaute sie ihn an. In ihr tobte ein Gefühlschaos.
Sie wandte ihr Gesicht ab. Es war falsch und so fühlte es sich auch an.

Levin ließ seine Hand wieder sinken, trat einen Schritt zurück und seufzte. Er wandte den Blick ab und blickte in die Tiefen des Waldes.
Was tue ich hier? Ich sollte nicht hier sein. Ich sollte nicht so handeln.

Aurora war ein wenig erleichtert. Aber auch ein wenig enttäuscht.
Ich sollte nicht so fühlen und mich lieber von ihm abwenden. Wenn das Gabriel mitbekommt, dann hat er einen Grund mich zu erpressen. Ich müsste Dinge für ihn tun, die gegen meine Moral gehen. Nur damit die, die ich mag, nicht verletzt werden.
Sie lehnte sich vom Baum weg und trat ein wenig in die Dunkelheit des Waldes. Mit ihrer Hand strich sie über die Baumrinde.

In Levin stritten sich seine zwei Seiten. Die des Kindes dass von seiner Mutter bedingungslos geliebt wurde und diese Liebe nun auf andere übertrug. Und die des Mannes, der einen Menschen getötet hatte und noch immer auf Rache sann. Es war schwer zu sagen wer gewinnen würde.

Aurora ging immer tiefer in den Wald. Ungeahnt wohin sie gehen würde. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie hätte nie diese Schule besucht. Neue Dinge offenbarten sich ihr. Unbekannte. Leise seufzte sie. Nun war sie einige Meter entfernt von der stelle, wo sich Levin befand. Wenn sie sich auf ihn einließ... Sie wusste nicht, ob es klappen würde.

Levin spürte Auroras Nähe, blieb aber ruhig stehen, die Augen geschlossen. Sein Atem ging ruhig und gleichmässig.
Tu das nicht! Es wird dich zerstören, warnte eine Stimme in seinem Kopf.

Aurora ließ sich auf den Boden plumpsen und lehnte sich im Schneidersitz an einen Baum. Um ihr herum war es vollkommen dunkel. Doch sie hatte keine Angst.
Und sie verstand nicht, warum. Aurora fühlte sich komisch. Vorallem in Levins Nähe.

Levin lehnte sich gegen einen Baum, die Augen immer noch geschlossen. Seine langen Haare fielen über seine Schultern und bildeten einen leichten Vorhang vor seinem Gesicht. Oh Hölle. So war das alles nie geplant.

Aurora wusste nicht, was sie tun sollte. Nachdenklich vergrub sie ihr Gesicht in ihre Hände.
Was sollte sie nur tun? Es war falsch, sagten ihre Gedanken. Doch ihre Gefühle sagten ihr genau das Gegenteil. Aber wer von den beiden Siegen würde, war nicht gewiss. Sie wollte Levin nicht verletzen. Versuchen konnte man es immer, sicher. Aber wenn man es erst versuchte, war es schwer, sich wieder zu trennen. Und ob sie noch eine Trennung aushalten würde... Das glaubte sie nicht. Es war schon schwer genug gewesen, sich von ihrer Seelenverwandten zu verabschieden. Und noch jemanden den sie mochte? Nein. Das wäre schrecklich.
Langsam erhob sie sich und streckte ihre Glieder. Sie knacksten leicht. Nachdenklich ging sie weiter und pflügte eine Blume ab. Sie betrachtete sie. Schön und zerbrechlich. Aber auch stolz erhoben. Beinahe wie sie.
Aurora drehte sich um. Nachdenklich ging sie zurück und entdeckte Levin. Er stand noch immer da, wo er vorhin gestanden hatte. Seine hellblonden Haare fielen ihm über die Schulter. Sie betrachtete sein Gesicht und seine feinen Züge. Wieder machte sich dieses nervöse und eigenartige Gefühl in ihr breit. Schüchtern senkte sie ihren Blick. Unklar was sie jetzt tun und sagen sollte...

Levin folgte Aurora stumm mit seinem Blick. Er bemerkte ihren Blick als die Blume in der Hand hielt. Nun sah sie ihn an, bevor sie ihren Blick senkte. War sie schüchtern? Der Elb fuhr mit den Augen die Konturen ihrer ebenmäßigen Züge nach. Sie war zweifelsohne schön.
Aber war das Erklärung genug für diese...Wärme, die er fühlte wenn sie ihn anblickte? Es konnte und durfte nicht sein. Er sollte gleichgültig sein. Sie sollte ihn nicht so handeln lassen wie er es getan hatte.
"Was tun wir nur?", fragte er leise, zugleich eine Frage an sich selbst.

Aurora schaute auf. "Ich... weiß es nicht." flüsterte sie und drehte die Blume mit ihren Finger.
"Ich weiß es wirklich nicht. Mein Verstand sagt, nein. Doch meine Gefühle... sprechen dagegen." Sie bemerkte, dass ihre Worte soetwas wie ein Liebesgeständnis waren und schlagartig errötete sie. Diese Gefühle waren neu und sogleich auch schön.

Auf ihre Worte folgte Stille. Levin sah sie an, verarbeitete was sie gesagt hatte. Ihre Worte und ihre Reaktion...sie musste ihn wirklich schon viel zu sehr mögen. Er öffnete den Mund um ihr zu widersprechen, schloss ihn aber wieder. Er konnte es nicht. "Ein Widerspruch", meinte er und sah sie mit seinen blauen Augen an. "Der auch in mir tobt", fügte er hinzu.

Auroras Blick wurde traurig. Die ganze Situation war einfach zu kompliziert. Sie durfte ihn nicht mögen, denn es gab noch Gabriel, der sich dies zu nutze machen konnte. Und das konnte und wollte sie Levin nicht antun. Aber sie mochte ihn bereits schon zu sehr als dass sie ihrem Verstand nachgeben konnte.
Betty hätte sicherlich eine Lösung gefunden. Doch diese war nicht hier, sondern mit ihrem Verlobten fort gegangen. Sie schluckte kurz. Doch es war bereits zu spät. Eine Träne lief ihr über die Wange und schnell senkte sie ihren Blick. Bei Levin war sie auf einmal zu verletzlich und das gefiel ihr nicht. Dabei wollte sie doch stark wirken.

Levin sah die Traurigkeit in ihrem Blick. Sie schien an etwas zu denken und es schien, als ob es nicht nur ihn betreffen würde.
Auch wenn sie den Kopf senkte, konnte sie die Träne nicht verbergen. Er beugte sich leicht vor und strich sie ihr von der Wange. "Warum weinst du?"

Aurora schaute auf und starrte ihn an. Sein Gesicht war ihrem viel zu nah. "Ich weine, weil ich an jemanden denken musste, der gestern die Schule verlassen hatte. Dem einzigen Menschen, dem ich vertraut habe und der mich nun verlassen hatte. Sie hätte mir vielleicht in dieser prekären Situation helfen können." sagte sie leise.

Levin runzelte leicht die Stirn. Er war erst heute angekommen, also wusste er nicht wer die Schule verlasen hatte. Aber es schien jemand sehr Wichtiges für Aurora gewesen zu sein. "Niemand ist je ganz fort. Aber wenn sie dir nicht helfen kann, musst du einen Weg finden dir selbst zu helfen", erwiderte er.

"Und wie soll ich mir im Klaren werden, wie ich mit dir zusammen sein kann, ohne dich zu verletzen?" sagte sie verzweifelt.
"Wenn Gabriel herausfindet, dass ich dich mag, dann wird er dich als Erpressmittel benutzen und er wird dir weh tun, wenn ich nicht mache, was er sagt. Und das kann und möchte ich dir nicht antun. Verstehst du mich?" Sie klammerte sich an die Blume, die sie in den Händen hielt.

"Ja", meinte Levin. "Aber du musst trotzdem diese allmächtige Furcht vor Gabriel in den Griff kriegen. Desto mehr du ihn fürchtest, desto mehr Macht hat er über dich" Ich fürchte nicht den Tod oder Schmerz. Soll er es doch versuchen.

"Aber ich habe Angst davor, dass er dir und den anderen weh tut." sagte sie leise.
Diesmal hob Aurora ihre Hand an und strich ihm sanft über die Wange. "Es würde mir weh tun." hauchte sie leise und schaute ihn traurig an.

"Und wenn du lügen würdest?", erwiderte er, scheinbar unberührt.
"Tu so als ob es dir nichts ausmachen würde. Gib ihm keine Macht über dich"

"Ich bin mit ihm verbunden. Das nützt nichts. Er spürt, was ich fühle. Ich kann ihm nichts vormachen." Aurora senkte wieder ihre Hand.
"Es... hat einfach keinen Sinn. Ich bin mir sicher, dass es eine Möglichkeit gibt. Eine, die nichts mit sterben zu tun. Wo mit alle zufrieden sind. Doch diese fällt mir einfach nicht ein."

"Du musst jemanden verletzen um den Pakt zu brechen, oder?", fragte Levin.
"Warum tust du das nicht einfach? Such dir jemanden dafür und brich den Pakt"

Aurora schaute ihn perplex an. "Wenn du so redest, kennst du mich nicht. Ich kann niemanden absichtlich verletzen. Das geht einfach nicht." meinte sie.
"Ich bin kein schlechter Mensch, auch wenn ich viel schlechtes getan habe."